Zuerst war da die künstliche Aufregung um angebliche No-go-Areas in Wien. Die U6 wurde damit zum Symbol gemacht für Alles, das in Wien im Argen liegt. Und dann kam das Essverbot, zuerst einmal nur in der verrufenen U6. Eine, wie man so schön sagt, „österreichische Lösung“, wie die teilweise Fußgänger_innenzone auf der Mariahilferstraße, das teilweise Rauchverbot oder der halbe Feiertag am Karfreitag, der jetzt doch keiner mehr ist. In den anderen U-Bahnen breitete sich natürlich Verunsicherung aus, noch viel mehr jedoch Misstrauen gegenüber anderen Fahrgästen. Hier wird ein Salat gegessen, dort einem Kind ein Keks zugesteckt. Darf man denn das (noch)? Macht da keine_r was dagegen?
Was mit der Kampfansage an „stark riechende Speisen“ begann, geriet aus dem Ruder. Mit ihren ganze Fenster überspannenden Verbotsschildern und der nicht einmal halblustigen Info-Offensive à la „Pizza Kriminale“ oder „Nudelfall ungelöst“ machen die Wiener Linien alles nur noch schlimmer. „Auch geruchlose Speisen hinterlassen ihre Spuren“, erfahren wir.
Ich frühstücke gerne in der U-Bahn. Oder zumindest bis vor Kurzem habe ich das gerne gemacht. Und es macht ja auch Sinn! Denn morgens ist die Zeit oft knapp, kein Essen im Haus und die U-Bahn-Fahrt lang. Insbesondere im Winter und gerade in der U6, deren Stationen sich ja überwiegend im Freien befinden, sollen wir uns jetzt also die klammen Finger am Jausenweckerl abfrieren. Und warum das Ganze? Müssen die Wiener Linien jetzt keine Reinigungskräfte mehr beschäftigen? Verflüchtigt sich mit dem Essverbot auch all der andere Dreck? Wer sammelt dann die Käseblätter Heute und Österreich wieder ein?
„Für ein besseres Miteinander“, nennen das die Wiener Linien zynisch – dabei geht es ja unter dem Gebot von Sauberkeit und Ordnung vielmehr darum, sich „alles was stört“, seien es Gerüche, Speisen oder „bestimmte Personen“ aus den U-Bahn-Bereichen fernzuhalten. Die Stationen sind ohnehin nur zum kurzen Verweilen ausgerichtet. Wer noch einen Sitzplatz ergattert, hat zweifelhaftes Glück, sind diese meist aus kaltem Metall und jedenfalls so gestaltet, dass man sich keinesfalls noch ausbreiten oder gar drauflegen kann. Eine regelmäßige Durchsage fordert dazu auf, Bettler_innen nichts zu geben, sondern an die berufsmäßigen Belästiger_innen anerkannter Organisationen zu spenden.
Die Geschäftsführerin der Wiener Linien erklärt, dass jeder bei der Reinigung gesparte Euro wieder „in andere Bereiche investiert“ werde und somit den Fahrgästen zugutekomme (in mehr Securities, rate ich einfach mal wild, um das „subjektive Sicherheitsgefühl“ zu stärken).
An dieser Stelle Dank an die Samstagabend in der U6 zwischen all den Partygänger_innen widerständig Zwieback-essende Person, die mit der unschuldig-kargsten Fastenspeise, maximal geräuschvoll und bröselnd die Unsinnigkeit dieser neuen Verbotskultur sehr treffend auf den Punkt brachte.