MALMOE

Trans under attack

Seit Donald Trump sein Amt angetreten hat, werden die Erfolge, die unter der Obama-Administration in Bezug auf queere Rechte erreicht worden sind, schrittweise angegriffen und rückgängig gemacht

Die Sichtbarkeit von trans Personen hat in den vergangenen Jahren in den USA deutlich zugenommen, sei es durch mediale Repräsentation in Fernsehserien, durch medienwirksame Outings oder auch durch politische Reformerfolge. Der Schutz vor Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität wurde über verschiedene neue Gesetzgebungen gestärkt.

Trotz dieser Verbesserungen auf der rechtlichen Ebene gab es 2018 über zwei Dutzend Morde an trans Personen, zumeist Schwarzen trans Frauen. Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt und im Gesundheitssystem sind weiterhin virulent. Auf bundesstaatlicher Ebene existieren zurzeit nahezu 80 gegen LGBTIQ gerichtete Gesetzesinitiativen, wobei sich 18 von diesen spezifisch gegen trans Personen richten. Diese zielen darauf ab, den Zugang zu medizinischen Leistungen wie Hormontherapie oder Operationen im Zuge der Transition zu limitieren oder eine nachträgliche Änderung des bei der Geburt zugeschriebenen Geschlechts zu verunmöglichen. Außerdem soll verhindert werden, dass Kinder in der Schule mit diesen Themen in Berührung kommen. Manche dieser Angriffe konnten abgewehrt werden, teilweise gelang es sogar über Abwehrmaßnahmen hinaus Erfolge zu erzielen. So wurden in sechs Bundesstaaten Entwürfe eingebracht, die es vereinfachen, Geschlechtsmarker in Dokumenten wie Führerscheinen oder Geburtsurkunden ändern zu lassen. Sechs Bundesstaaten führten darüber hinaus einen geschlechtsneutralen Eintrag für Ausweise ein.

#WontBeErased

Insbesondere auf nationaler Ebene sind jedoch besorgniserregende Einschnitte zu verzeichnen. Ende letzten Jahres veröffentlichte die New York Times eine interne Mitteilung des Gesundheitsministeriums. Diese beinhaltete eine restriktive Neukonzeption von Geschlechtlichkeit, die auch als Maßgabe für das Bildungs-, Justiz- und Arbeitsministerium etabliert werden sollte. Unter Obama hatte die Selbstdefinition des eigenen Geschlechts eine Aufwertung erfahren. Geschlechtlichkeit wurde somit nicht mehr unmittelbar aus dem bei Geburt zugeschriebenen Geschlecht hergeleitet. Der Zugang zu öffentlichen Räumen in Übereinstimmung mit dem sozialen Geschlecht wurde trans Personen vielfach ermöglicht, sei es in Bezug auf Toiletten, Umkleiden oder auch spezifisch auf ein Geschlecht ausgerichtete Weiterbildungsangebote. Die aktuelle Politik zielt hingegen auf eine Rückkehr zur vermeintlich eindeutigen Biologie ab. Der jetzige Vorschlag sieht vor, dass dasjenige Geschlecht, welches auf Grundlage der Genitalien in die Geburtsurkunde eingetragen wird, lebenslange Gültigkeit behält. Es sei denn, angeblich existente genetische Gegenbeweise werden geliefert. Diese Definition geht davon aus, dass es zwei ganz klar zu unterscheidende Geschlechter gibt, die in einer binären Opposition zueinander stehen. Diese eindeutige und unveränderliche Konzeption von Geschlecht hätte zur Folge, dass per Beschluss die Lebensweise von mehr als einer Million US-amerikanischer trans und inter Personen unsichtbar gemacht und geleugnet werden würde. In Utah gab es bereits konkrete Vorstöße zu einem entsprechenden Gesetzgebungsprozess, eine Änderung des eigenen Geschlechts in der Geburtsurkunde zu verunmöglichen. Der Vorschlag wurde jedoch wieder zurückgezogen.

Diese Entwicklungen und Angriffe auf die Transcommunity blieben nicht unkommentiert. Nach Bekanntwerden des Berichts des Gesundheitsministeriums, wurde unter dem Motto #WontBeErased zu Protesten aufgerufen. Es fanden zahlreiche öffentlichkeitswirksame Proteste statt, auch im Rahmen des National Women’s March wurden queere Rechte und Schutz vor Diskriminierung für trans Personen stärker thematisiert. Für September 2019 ist der erste National Trans Visibility March geplant, der in der Hauptstadt Washington, D. C. stattfinden soll.

Trans Military Ban

Stark diskutiert wird zurzeit der „Transgender Military Ban“, den Trump bereits im Jahr 2017 angekündigt hatte. Dieser wurde noch nicht implementiert, da mehrere Gerichte einstweilige Verfügungen dagegen erlassen haben. Hatte die Obama-Administration das Militär für trans Personen geöffnet, steht dieser Zugang nun wieder in Frage. Gegenwärtig wird davon ausgegangen, dass das US-Militär den größten Einzelarbeitgeber für trans Menschen darstellt. Fast 15.000 Militärangehörige würden ihren Job verlieren, was bei einer Gruppe, deren Arbeitslosenrate laut U.S. Transgender Survey (USTS) dreimal so hoch ist wie jene der Restbevölkerung, ein entscheidender Einschnitt wäre. Ende November versuchte das Justizministerium, den Supreme Court dazu zu bringen, die letzten Hindernisse zur Einführung des Beschäftigungsverbots in Form von anhängigen Verfahren aus dem Weg zu räumen. Die Anwesenheit von trans Menschen bedeute ein zu großes Risiko für die „militärische Effektivität“. Jetzt sieht es so aus, als würde das Beschäftigungsverbot trotz noch anhängiger Verfahren eingeführt werden. Zwar existieren Ausnahmen, beispielsweise für Angehörige des Militärs, die ihre Transition mindestens drei Jahre vor Dienstantritt hatten oder die ihre Transition nicht während ihrer aktiven Zeit vornehmen wollen. Das gilt jedoch nur für einen Bruchteil der betroffenen Gruppe.

Kampf um die Gerichte

Zugleich ist ein regelrechter Kampf um die Gerichte entbrannt, in dem die christliche Rechte versucht, auf verschiedenen Positionen und Hierarchieebenen möglichst viele ihrer Kandidat_innen fest zu installieren. Ziel ist es, die Deutungshoheit über gerichtliche Entscheidungen zu erhalten, da diese in der Vergangenheit des Öfteren auf Minderheitenschutz pochten. Kürzlich wurde William Barr als Attorney General bestätigt, der dem Justizministerium der Vereinigten Staaten vorsteht und der oberste Rechtsberater der Regierung ist. Barr hatte beispielsweise HIV als jene „Kosten“ bezeichnet, die die Betroffenen aufgrund ihres eigenen unmoralischen Verhaltens zu tragen hätten. Wurde in der Vergangenheit von der rechten Opposition argumentiert, weder die US-Regierung noch Gerichte könnten für alle Amerikaner_innen definieren, was es bedeute, eine Frau oder ein Mann zu sein, wird jetzt versucht, wichtige Posten zu besetzen, um genau dies festschreiben zu können. Umfassende Rechte zur Selbstbestimmung der Geschlechtsidentität würden der Bevölkerung aufgezwungen und ihre Privatsphäre und Sicherheit gefährden.

Christliche Rechte

Viele der Involvierten im Kampf gegen LGBTIQ-Rechte haben eine enge Bindung zur christlichen Rechten und fordern eine Abkehr von Political Correctness und sozialen Experimenten, wie der „Genderideologie“ oder anderen Familienformen als der traditionellen heterosexuellen Ehe. So schreibt eine der wichtigsten Organisationen der christlichen Rechten, Focus on the family, auf ihrer Website beispielgebend, dass Gott genau zwei Geschlechter geschaffen hätte, Frau und Mann, für die er vorsieht, dass sie ihre Sexualität innerhalb der Ehe als Ehemann und Ehefrau ausleben. Weiblichkeit und Männlichkeit werden dabei als gegensätzliche Pole mit komplementären Qualitäten verstanden, die sich in der Ehe ergänzen, wobei Unterschiede in der Biologie verwurzelt wären. Trans Personen und deren Unterstützer_innen würden hingegen eine heidnische Sichtweise einnehmen, die davon ausgehe, dass der Körper ein Gefäß sei, in welches der Geist hineingegossen werde. Gottes Bild und Plan bezüglich Sexualität, Ehe und „richtiger“ Familienordnung werde so durcheinandergebracht. Eine Änderung des zugeschriebenen Geschlechts wird als Verstoß gegenüber der göttlichen Schöpfung und dem Auftrag zur Fortpflanzung betrachtet. Die traditionelle Familie werde auf diese Weise bedroht. Ziel der politischen Interventionen der christlichen Rechten ist es, Unterstützungsangebote für trans Personen einzuschränken und eine Transition zu verhindern. Auf rechtlicher Ebene wird versucht, Präzedenzfälle zu schaffen und mit dem Hinweis auf religiöse Freiheiten und Befindlichkeiten die Diskriminierung von LGBTIQ zu legitimieren und Schutz- und Inklusionsmaßnahmen, beispielsweise an Bildungseinrichtungen, außer Kraft zu setzen. Der Ausbau des Diskriminierungsschutzes wird als Nullsummenspiel dargestellt: Bekommen LGBTIQ mehr Rechte, sei das gleichbedeutend mit der eigenen Marginalisierung aufgrund religiöser Überzeugungen.

Das Entstehen einer trans Identität wird von christlichen Gruppen gerne als ein Resultat von sexualisierter Gewalt in der Kindheit dargestellt. Ähnlich wie bereits zuvor in Bezug auf Homosexualität wird ressentimentgeladen propagiert, dass Homosexuelle und trans Menschen, Kinder und Jugendliche für ihre Agenda rekrutieren wollen und man diese davor schützen müsse. Einflussnahme erfolge zudem dadurch, dass sie ihre vermeintlichen „Perversionen“ verpflichtend ins Schulcurriculum einbauen wollten und so Kinder und Jugendliche ideologisch beeinflusst und indoktriniert werden sollen. Die alten Ressentiments von Verführung und Pädophilie schwingen dort mit. Der Diskurs um die Sicherheit von Kindern und Frauen wird dabei auch außerhalb des eigenen christlichen Kosmos genutzt, um politische Erfolge zu erzielen. Diskussionen über die Geschlechtertrennung in Toiletten und Schlafräumen sind nach wie vor virulent und liefern Konfliktpotenzial. Bereits Erreichtes wurde auch in diesem Bereich zurückgenommen. 2016 wurde eine Richtlinie vom Justiz- und Gesundheitsministerium erlassen, die vorsah, dass diejenigen Schulen, die Bundesmittel erhielten, die geschlechtliche Selbstdefinition der Schüler_innen als deren tatsächliches Geschlecht ansehen und ihnen somit auch Zugang zu geschlechtskonformen Toiletten ermöglichen müssen. Bereits 2017 wurde diese Regelung jedoch wieder zurückgezogen. Alle dahingehenden Beschwerden sowie Klagen über Diskriminierungen bezüglich des Zugangs zu Schuleinrichtungen werden durch das Bildungsministerium zurzeit abgewiesen. Bereits zuvor wandten viele religiös geführte Schulen Ausnahmeregelungen an, um eine Liberalisierung zu umgehen.

Trans als Gefahr

Konservative Kampagnen versuchen ein Bild zu zeichnen, dass der Schutz vor Diskriminierung als Deckmantel missbraucht würde, um anderen Schaden zuzufügen. Trans Personen würden den Zugang zu Toiletten nutzen, um Frauen und Mädchen zu schaden; cis Männer könnten sich so etwa Zutritt zu sensiblen Bereichen verschaffen, der ihnen normalerweise verwehrt wäre. Der Ausbau sexueller und queerer Rechte und der Schutz vor Diskriminierungen werden unmittelbar mit einem angeblichen Anstieg von (sexualisierter) Gewalt in Beziehung gesetzt. Eine Taktik, um die vermeintlich unmittelbare Gefahr, die von trans Frauen ausgehe, deutlich zu machen, bestand darin, dass Männer, die Unterschriften gegen die Öffnung des Zugangs zu Toiletten sammelten, instruiert wurden, diese außerhalb von Frauentoiletten zu sammeln. Wenn Frauen die Unterschrift verweigerten, gingen sie so weit, diesen auf die Toilette zu folgen und sie dort zu bedrängen, um so deutlich machen, wie gefährlich transinklusive Politiken seien. Dabei bleibt unthematisiert, dass die christliche Rechte bislang systematisch versuchte, die juristische Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt zu behindern, und auch ihre eigenen männerdominierten Strukturen unangetastet lässt.

Die Erfolge auf Bundesstaatenebene in Bezug auf queere Rechte stehen dabei im Kontrast zu den Vorstößen auf nationaler Ebene, die diese bedrohen. Gerade durch die neuerlichen Besetzungen in der Judikative insbesondere dem Supreme Court wird es in Zukunft jedoch schwieriger werden bundesstaatenübergreifende nationale Fortschritte zu erreichen.

Cole Parke. 2016. The Christian Right on the Gender Frontier: The Growing Anti-Trans Offensive. https://www.politicalresearch.org/2016/10/05/the-christian-right-on-the-gender-frontier-the-growing-anti-trans-offensive/

Moritz Strickert. 2018. Göttliches Geschlecht. https://www.akweb.de/ak_s/ak644/17.htm