AntiquarInnen diskutieren aktuelle Zustände und Möglichkeiten einer Neuformulierung des Antiquariats mit Blick auf private Archivierungen von Buchobjekten in Wien
Zwei AntiquarInnen kommen aufs Antiquariat zu sprechen.
C (Bekenntnis, Chor): Was ist dran an den alten Büchern?
A: Mein Interesse an antiquarischen Schriften entflammte, als ich ein Magazin entdeckte, welches schon fast vergessen war und das ich trotzdem als sehr wichtig empfand. Diese Erfahrung motivierte mich, mein vorangegangenes Wittern von Lücken in der schulischen Lehre der Vergangenheit ernst zu nehmen und mich zu fragen: Was fehlt da eigentlich?
B: Ich habe an das Antiquariat nicht mehr geglaubt, es schon verlassen. Weil diese musealen Bastionen in Wien und deren Verbände sich zu sehr verschlossen haben, um frischen Wind hereinlassen zu können. Ich brauchte Zeit, um den Mut zu schöpfen, mich wieder mit gebrauchten Büchern zu beschäftigen.
C: Der Verband der Antiquare ist doch noch immer verschlossen.
A: Ich war nie in Antiquariaten unterwegs. Ich wusste lange nicht, dass ich in diese Lokalitäten überhaupt reingehen darf. Auch als ich es wusste, fand ich sie grausig und nach dem Inspizieren der Auslagen war ich der Meinung, ich könne mir diese Bücher sowieso nicht leisten.
B: Da ich in einer Buchhandlung und in einem Antiquariat gearbeitet habe, verstehe ich deinen Zugang, deine Abscheu. Verstehe es auch umso mehr, als es für mich bis heute schwierig ist zu sagen, was wertvoll ist und was nicht. Was ist ein seltenes Buch? Was sind AntiquarInnen, wie arbeiten diese? Welchen Voraussetzungen und welchen Praktiken müssen sie genügen?
A: Eine antiquarische Praktik ist die Buchaufnahme. An die halte ich mich gerne, weil es eine knappe Art ist, das Buch als Gegenstand zu beschreiben.
B: Aber könnten wir uns nicht einfach eine neue Form einer Buchbeschreibung ausdenken?
C: Aber bitte nicht eine Verkürzung der aktuell gebräuchlichen Aufnahme, wie das bei Versandantiquariaten gang und gäbe ist.
B: Auf keinen Fall! Gibt es die Möglichkeit einer Umwertung von antiquarischen Büchern? Woher kommen die Bücher in Antiquariaten?
C: Ja, die meisten sind wahrscheinlich aus Verlassenschaften, aus Ankäufen aus Bibliotheken oder Einzelstücke aus privater Hand oder dem Internet. Aber in Wirklichkeit hält sich da jede/r bedeckt.
B: Wer beschafft sie und wer entscheidet, was bleibt und was geht? Wie denken BetreiberInnen über AutorInnen und über Inhalte von Büchern, die sie präsentieren? Können sie es vertreten, wertvolle Stücke zu schwierigen oder problematischen Themen anzubieten? Warum hängen nicht bunte Girlanden im Antiquariat? Warum wird man durch lauten Techno nicht weggeblasen?
A: Vergessen wir nicht den emotionalen Zugang zu den Büchern. Ich habe zwei berauschende, treibende Gefühle während meiner Antiquariatstätigkeit kennengelernt. Zum einen eine Aufregung bei der Vermutung, ein Buch könnte viel Geld wert sein. Das gute Stück ist meine Rettung! Ich schaue in solchen Momenten auf eine Buchverkaufsplattform, werde daraufhin bitter enttäuscht. Ich habe mir eigentlich gedacht, dass dieser Rausch aufhören wird, mit der Zeit. Weil ich genau diesen Zugang hasse. Aber mein Wunsch nach einem finanziell wertvollen Buch oder Autograph ist immer noch da.
C: Das sieht dann aber nicht rosig aus fürs Antiquariat.
A: Ich finde, dass die meisten AntiquarInnen in Österreich ohne jegliche Aufarbeitung und ohne Stellungnahme zu und mit diskriminierenden Objekten handeln. Ich denke, es geht dabei ums Geld, um Prestige, das mit Geld und seltenen Stücken zusammenhängt.
C: Spricht das nicht für eine Sammelleidenschaft mit einem Schwerpunkt, die unabhängig von Prestige und Geld nach Lust und Laune sich richten könnte? Oder sich zu messen an anderen Sammelnden der verschiedenen Spezialgebiete?
B: Alles zu einem Thema haben, da sind wieder Objekte mit dubiosen Inhalten dabei. Das ändert nicht viel.
A: Rein nach einem Spezialgebiet sowie nach der Preisspanne eine Auswahl zu treffen, empfinde ich als diskriminierend. Weil ich mich durch den unkritischen Umgang mit dem Material angegriffen fühle. Weil ich merke, es geht doch nicht darum, sozial interessiert, lebendig voranzuschreiten, sondern um festgesetzte Werte, das Paradigma Seltenheit überkreuzt mit aus Geschichtsbüchern hervorgehenden Größen. Jetzt, nachdem ich darüber nachgedacht habe, bin ich dafür, einfach alles so wie es ist zu horten und zu vergessen, ich will mich nicht erinnern, nicht so.
B: Die Düsterheit ist ein sehr schwieriges Kapitel und hält eine/n irgendwie dabei zurück voranzuschreiten. Das Übertönen und Wegschauen kann etwas sein, was befriedigt, aber wieso? Was ist die zweite Ekstase, was könnte noch so ein rauschhafter Zustand sein?
A: Die zweite Art von Ekstase ist schon wesentlich sonniger, ein Zustand, den ich noch ausweiten möchte. Es ist einfach eine Begeisterung für den Inhalt oder auch nur fürs Buch als Objekt, welche bei den weiteren und tieferen Recherchen immer hemmungsloser wird. So etwas motiviert mich weiterzumachen. Dazu kommt eine Freude, die ich empfinde, wenn ich das Buch in meinen Händen halte. Eventuell ist es eine Schrift, die heute fast niemand mehr kennt, aber das muss nicht sein. Wichtiger ist in dem Moment die Bedeutung, die ich in dem Buch sehe, die empfundene Nähe, die in mir aufkeimt. Dann kommt es vor, dass ich mir denke, warum wurde das vergessen? Warum scheint es bei einem speziellen Projekt nicht als Referenz auf? Es wäre bestimmt sehr hilfreich.
C: Wohin soll dieser Antrieb gehen? In eine Vernetzung?
B: Hilfreich wäre es vielleicht noch mehr, in geheimnisvolle Tiefen zu gehen, ohne dass man’s weiß. Diese Ekstase würde ja dafür sprechen, dass es ein Loslösen gibt. Dass es neue Möglichkeiten gibt, es etwas anders zu sehen als vor Hunderten von Jahren.
C: Wie viele Antiquarinnen und Antiquare gibt es eigentlich aktuell in Wien?
… Fortsetzung folgt.