MALMOE

Fragen an den „Dompteur“

Bei welchen Zirkussen waren Sie denn?

Zunächst bei einem kleinen in Wien. Dann beim Circus Krone, bei einem französischen Zirkus und dann ging es nach Nordamerika. Der Zirkus von Vancouver. Einer der größten der Welt. Wir haben Tourneen um die ganze Welt gemacht.

Was bedeutet groß?

40.000 Zuschauer*innen am Abend. Das Zelt umfasste drei Manegen. Es gab zwei Aufbautrupps, während wir in dem einen Zelt spielten, wurde das andere ab- und am nächsten Spielort wieder aufgebaut. Für den Transport gab es einen eigenen Güterzug. Sattelschlepper wären einfach zu viele nötig gewesen.

Wie wird man denn Dompteur?

Nun, zunächst war ich als junger Mann Artist. Dann bin ich in Sydney vom Trapez gefallen. 14 Meter in die Tiefe.

Oh nein!

Jemand hat einen Fehler gemacht und wir haben alle das Gleichgewicht verloren. Ein Netz gab es nicht. Als ich am Boden lag, dachte ich: „Ach, geht schon – Applaus“. Dann wurde ich ohnmächtig und bin erst vom Lärm des Helikopters wieder aufgewacht. Ich lag zwei Monate im Koma, zwanzig Brüche auf einer Seite.

Wer hat denn die Arztkosten bezahlt?

Alles der Zirkus. Wenn jemandem was passiert, wird die Gage weiterbezahlt. Danach war ich aber mit dem Artistendasein durch. Wir hatten zu der Zeit eine Löwin und die hat – was sehr selten ist – fünf Junge bekommen. Leider ist sie dann bei der Geburt des Fünften gestorben. Ich habe die Löwenbabys aufgezogen wie Babys, mit dem Fläschchen. Ein ungeheurer Aufwand, weil immer alle gleichzeitig hungrig waren. Sie wuchsen sehr, sehr schnell. Nachher hatten sie 180 Kilo.

Haben Sie denen auch Ihren Kopf ins Maul gesteckt?

Jaja, solche Sachen halt.

Und ist das nicht sehr gefährlich?

Nein. Die Tiere kannten mich gut. Sie haben vor der Aufführung jeder ein halbes Kilo Fleisch bekommen und hatten keinerlei Hunger. Sie wussten, nach der Show gibt es die Hauptspeise, nochmal zwei Kilo. Das haben sie genau gewusst. Weshalb hätten sie beißen sollen?

Äh, und zum Beispiel die Unfälle bei Siegfried und Roy?

Ach das war doch nichts. Das Tier hatte sich einfach verschätzt. So etwas kann natürlich passieren. Es gibt Dinge, die muss man beachten. Hunde zum Beispiel sind sehr gefährlich. Die Löwen können das Gebell der Hunde nicht einordnen und fürchten sich. Dann geht es rund. Das ist enorm gefährlich.

Wurde die Arbeit eigentlich gut bezahlt?

In den Spitzenzeiten habe ich 100.000 Schilling (Anmerkung: heute wären das 7.267 Euro) im Monat verdient. Ich hatte einen persönlichen Assistenten, der sich um Zigaretten, Schnaps und solche Sachen gekümmert hat. Wir haben damals schon ganz ordentlich gefeiert. Altersvorsorge gibt es allerdings keine, daran denkt man aber in der Zeit auch nicht. Was vielleicht nicht das Schlaueste ist …

Warum haben Sie aufgehört?

Irgendwann hat der Zirkus die Shows mit Tieren eingestellt. Elefanten, Pferde, Bären, Löwen: alle weggegeben. Ich fand das vollkommen falsch und habe die Gründe nie verstanden. Ich war dann so sauer, dass ich den Zirkus aufgegeben habe.

Fühlen Sie sich den Löwen heute noch verbunden und schauen sie sich manchmal noch im Zoo an?

Nein, nie. Viel zu grausam. Die Tiere brauchen ja Auslauf, den haben sie im Zoo nicht. Wir hatten ihnen beim Zirkus teilweise riesige Gehege eingerichtet, das war schon ganz okay für die Löwen.

Disclaimer: Zum Zeitpunkt dieses Interviews waren alle Beteiligten ziemlich antschechert. Der journalistischen Sorgfaltspflicht folgend, wollte MALMOE am übernächsten Morgen einige Fakten überprüfen. Hierbei stellte sich heraus, dass unser „Dompteur“ vieles direkt aus zweiter Hand weitergegeben hat. So war er nicht Trapezkünstler gewesen, sondern „nur“ Zeltarbeiter beim Zirkus. Abgestürzt ist er dennoch, hat den Dompteuren fleißig assistiert und Löwen mag er wirklich gern. Wir würdigen hiermit die literarische Fabulierkunst.