Als ich die erste Kottan-Folge, „Hartlgasse 16a“, zum ersten Mal gesehen habe, habe ich schon in Wien gewohnt – sonst hätte ich es mir vielleicht nochmal anders überlegt. Der Mord ist eigentlich Nebenhandlung, im Zentrum steht die missgünstige Hausgemeinschaft, die drei Frauen, die täglich am Gang zusammen kommen, schenken einander nichts. Die Hausbesorgerin will der Frau Kucharik ihren Plumosus auf dem Fensterbrett nicht gönnen und lässt ihn zu den Colonia-Kübeln wandern.
Ich stelle mir vor, man würde einen Krimi in meinem eigenen Wohnhaus ansiedeln. Die Hartlgasse der fiktiven 70er Jahre ist freilich nur bedingt vergleichbar mit meinem behüteten Haus in der Wiener Innenstadt. Schrullige Charaktere und zwischen den Stockwerken herumwandernde Blumentöpfe gäbe es schon, Konflikte werden aber lieber über Zettel als verbal im Hausflur ausgetragen.
Auch den einen oder anderen Kriminalfall hätte es gegeben: Über Jahre hinweg hat jemand Woche um Woche die Ventilkappen aller am Gang abgestellten Fahrräder gestohlen. Was der_die Ventilkappendieb_in nicht geschafft hat, gelang der Hausverwaltung mit träge-beharrlichen Räumungsdrohungen per Aushang im Stiegenhaus irgendwann dann doch: Die Fahrräder wurden hinaus in Schnee und Regen auf die Straße verbannt und sind seither dem ständigen Kampf mit Vespas und Elektrorollern um die spärlichen Plätze am Fahrradbügel ausgeliefert.
In meinem Haus kennt man sich vor allem von gemeinsamen Wasserschäden. Man klingelt bei den Nachbar_innen, weil wieder mal ein Rohr geborsten ist und es von der Decke regnet. Man kennt das schon. Die Installateure seufzen dann, dass seit Jahren die Rohre im ganzen Haus getauscht werden müssten, bevor sie sich daran machen, im Auftrag der Eigentümer_innen wieder mal ein kleines Stück zu flicken. Die leicht vor sich hin bröckelnde Bausubstanz kann als Hinweis gelesen werden, dass das Haus trotz der guten Gegend nicht dem alten Reichtum vorbehalten geblieben ist. Die alteingesessenen, gutbürgerlichen Hausbewohner_innen wissen nicht wie ihnen geschieht, das Haus nunmehr mit mehreren WGs teilen zu müssen und winden sich ein bisschen, wenn ihnen im Stiegenhaus ein ungezwungenes „Hallo“ zugeworfen wird.
Statt einer Episode im Fernsehen hat meine Straße ihre eigene Facebookseite. Das Gemeinschaftliche wird dabei vor allem von den Geschäftstreibenden vorangetrieben. Fallweise organisieren sich die Anrainer_innen gegen Ruhestörungen, größere Ansammlungen von Tauben oder den elektrobetriebenen Bus, der durch die Seitenstraßen der verkehrsberuhigten Mariahilferstraße tuckert. Mit den Solidaritäten ist es da manchmal ein bisschen schwierig.