MALMOE

Drei Monate auf Bewährung für Zivilcourage

Bei Racial Profiling ist Österreich ganz vorne mit dabei

Racial Profiling – also das Durchführen z. B. von Kontrollen nur aufgrund von Merkmalen wie Hautfarbe – durch die Polizei ist ein Problem, über das in Österreich meist nur ungern und selten in breiter Öffentlichkeit gesprochen wird. Der Grund dafür sind mangelndes Problembewusstsein, Ignoranz oder schlicht und einfach Zustimmung zu dieser rassistischen Praxis.

Im Oktober erfuhr die Thematik eine breitere mediale Aufmerksamkeit als der Rapper T-Ser und seine Kollegen vom Label Akashic Records in einem Wiener Park einer Polizeikontrolle unterzogen wurden. Sie wehrten sich gegen diese schikanöse und offensichtlich rassistisch motivierte Kontrolle, indem sie diese dokumentierten und veröffentlichten. Daraufhin erfolgte ein mediales Geplänkel zwischen der Presseabteilung der Wiener Polizei und dem Bezirksvorsteher von Wien Neubau, wo die gegenständliche Amtshandlung durchgeführt wurde. Der Politiker widersprach der von der Polizei per Presseaussendung verbreiteten Behauptung, dass es in dem Park immer wieder zu Straftaten kommen würde und es zahlreiche Beschwerden durch Bürger_innen gäbe. Diese Behauptung diente der Polizei als Begründung für die „Schwerpunktkontrolle“ – bei der nach Darstellung der betroffenen Rapper nur Personen kontrolliert wurden, die nicht dem imaginierten Bild von typischen „Österreicher_innen“ entsprachen.

Ebenfalls im Oktober kam es am Landesgericht in Wien zu einem Prozess gegen eine Person, die eine Polizeikontrolle beobachtete und sich solidarisch mit den Betroffenen und kritisch gegenüber der Polizei zeigte. Die Angeklagte war mit ihrer Begleitung am Gürtel unterwegs, als sie zu der Kontrolle stieß. Den Beamt_innen war es offenbar unangenehm, beobachtet zu werden, und sie versuchten die beiden weg zu weisen. Dabei argumentierten sie mit dem so genannten „Gaffer Paragraphen“, der offiziell eingeführt wurde, um zu verhindern, dass Schaulustige Rettungseinsätze behindern oder die Privatsphäre von Verletzten verletzen. Nachdem die beiden sich weigerten, eskalierte die Amtshandlung – beide wurden festgenommen, einer der beiden erlitt Verletzungen, u.a. wurde ihm sein Piercing aus der Augenbraue herausgeschlagen.

Die Angeklagte wurde festgehalten und in die Justizanstalt Josefstadt überstellt, da sie sich weigerte, ihre Personalien bekannt zu geben. Erst nachdem sie aufgrund der drohenden Verhängung der Untersuchungshaft ihre Personalien preis gab, wurde sie nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung entlassen.

Auch gegen an der Amtshandlung beteiligten Polizist_innen gab es Anzeigen wegen Körperverletzung durch das Krankenhaus, das der Begleiter der Angeklagten aufsuchen musste. Hierzu sei angemerkt, dass im November 2018 eine vom Justizministerium beim Austrian Center for Law Enforcement Sciences/Universität Wien beauftragte Studie veröffentlicht wurde, mit dem Ergebnis, dass keiner einzigen von 1.518 untersuchten Anzeigen gegen Polizist_innen eine Verurteilung folgte. Nur in sieben Fällen kam es zu einem Gerichtsverfahren. Gegen zehn Prozent der Beschwerdeführer_innen wurden Verfahren wegen Verleumdung eingeleitet.

Im Folgenden dokumentieren wir die Erklärung, die die Angeklagte zu Beginn des Prozesses abgegeben hat:

„Ich habe […] gesehen, wie die Polizei zwei männlich gelesene dunkelhäutige Personen an der Wand fixiert hat. Es war während des gesamten Vorfalls keine Erste-Hilfe-Leistung ersichtlich. Eine Person hat geschrien: ,I have rights!‘ Für mich war klar, dass dies keine Situation ist, in der ich es für mich ethisch vertretbar finden würde, weiterzugehen. Als ich die Situation gesehen habe, habe ich mir Sorgen gemacht, dass es sich um Racial Profiling handelt. […] Der Gürtel ist einer von jenen öffentlichen Räumen, die scheinbar nur mehr einem Teil der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen sollen. Deshalb bin ich stehen geblieben und habe die Polizei gefragt, was sie machen. Daraufhin wurde mir dann geantwortet, ich solle weitergehen. Das hat mich jetzt nicht so sehr verwundert, weil beim Racial Profiling polizeiliches Handeln ja einzig und allein auf rassistischem Schubladisieren von Menschen basiert. Es ist aber gängige Praxis. Es gibt eine Studie von der EU-Agentur für Grundrechte dazu, für die in allen EU-Ländern Menschen mit unterschiedlichem migrantischen Hintergrund befragt worden sind. Die Studie wird in einem Augustin-Artikel vom 26.2.2018 thematisiert und ich würde gern zitieren: ,Mit der EU-weit höchsten Rate des wahrgenommenen Racial Profiling wurden in Österreich 66 % der Befragten in den vergangenen fünf Jahren von der Polizei kontrolliert. Von ihnen sind mehr als die Hälfte, 56 %, davon überzeugt, dass sie aufgrund ihrer Hautfarbe von der Polizei angehalten wurden.‘ […] Die Rapper, die kürzlich im Park von Racial Profiling betroffen waren, werden in einem Artikel auf mosaik-blog.at vom 18.10.2018 interviewt. Ich möchte das Interview auch gerne zitieren: ,Niemand ist uns beigestanden. Erst danach haben uns die Leute gut zugesprochen und gesagt, wie unfair das gewesen sei. So was klingt dann immer wie: Sorry, dass du schwarz bist.‘ Ich finde es wichtig, Menschen nicht mit der Polizei alleine zu lassen. Deshalb wollte ich nicht weggehen. Ich wollte meinen Ausweis nicht herzeigen, deshalb hat mir die Polizistin den Rucksack weggenommen. Ich habe den Rucksack […] nicht sofort losgelassen, als die Polizistin danach gegriffen hat. Ich habe sie zu keinem Zeitpunkt gestoßen, gekratzt, geschlagen. Einige Zeit später hat sie mir dann vorgeworfen, dass ich sie verletzt hätte. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass der Kratzer von irgendeiner Berührung von mir herkommt. Darüber hinaus möchte ich in diesem Prozess keine Aussagen mehr machen.“

Die Angeklagte wurde von der schweren Körperverletzung freigesprochen, für den Widerstand (der, sogar nach Aussage der Beamt_innen, nicht einmal ein „richtiger“ Schlag auf die ausgestreckte Hand der Beamtin war) wurde sie zu drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Im Rahmen des Benefiz-Fests „Signale 18. Musik politisch machen“ am 19. Dezember in der Wiener Arena findet auch ein Workshop statt, der sich mit möglichen Strategien zum Verhalten bei rassistischen Polizeikontrollen beschäftigt.