Zur Untersuchung des Trachtenbildes im Speziellen des Dirndls und der postmodernen Angst davor: in der Wiener Vorstadt, der Stadt der Gegenwart und in der autobiographischen Vergangenheit
Die Funktionszusammenhänge zwischen der Einführung eines alpinen Designs und der Fundierung eines sozio-kulturellen Kontextes lassen uns das Grauen nur erahnen. Doch was ist so grauenvoll, wenn eine große Anzahl an Österreicher*innen im Dirndl durch das neue Wiesenfest stapft? Konsumieren und Aneignen.
Worin liegt die inhärente Angst vorm C&A-Dirndl? Ist es die neue Suche nach Authentizität? Kindheitsmuster kehren zurück. Als wir Kinder waren, wollten auch wir ein Häferl mit unserem Namen drauf. Umrankt im alpinen Design, wie es die Oma aus der Frauengruppe mitgenommen hat. Das waren die ÖVP-Pensionistinnen, resolute Damen mit wenig Hang zur Kirche und großem Hang zu Ausflügen.
Also auch ein Häferl für uns, meinen Bruder, meine Schwester und mich. Blumenumrankt findet sich allerdings kein Lale in den Häferl-Regalen. So wanderten die Häferl zurück, zuerst das meiner Schwester, Fehltreffer, und kam zurück wohlumrankt und diesmal richtig geschrieben, mein Name und jener meiner Schwester nach dem dritten Mal immer noch falsch, bis sie es aufgegeben hat und so steht bis heute das Häferl mit einem H zu wenig im Regal und wird benutzt.
Die Identitätsangebote haben also nicht ganz gegriffen und mussten gleich zu Beginn angepasst werden.
Partout jenes H ist also weggeblieben, das in meinem Namen die ganze Zeit gefehlt hat und immer noch fehlt, weil er schlichtweg einfach ohne H von meinen Eltern am Standesamt angegeben wurde. Mir fehlt das H nur selten, manchmal laufe ich im Dirndl durch die Stadt und suche es.
Zurück zum C&A-Dirndl. Gefertigt in Bangladesch in den 1990er-Jahren. Die Rechten kamen langsam an die Macht und mit ihnen neue Imaginationen, die bereitwillig von den Christlich-Sozialen zur Verfügung gestellt wurden. So brachte die Renaissance der Tracht eine Einführung des Dirndls in die Wiener Vorstadt mit sich, im besten Wissen, dass es dort niemals zugegen war. Es wurde abgestimmt und gehuldigt und gleich mit einem Lied ausgestattet.
In der Blasmusik habe ich trotzdem nur die Querflöte gelernt und nie die Uniform getragen, die ich mir gewünscht hab. Weil ich immer zu schlecht gespielt hab für die Märsche, die mir schlichtweg in den Ohren gebrannt haben.
Ein Marsch, das hält ja niemand aus, so wie ich Autofahrer unterwegs und die süßlichen Kinderverzahrer-Songs nicht ausgehalten hab. Nimm dir ein Dirndl für ein Dirndl.
Zu weit geht das nur dann, wenn man vergisst, dass eben im Osten das Dirndl „des Mensch“ war und nicht das Dirndl. Und a „schiachs Mensch“ sachlich versehen und gesehen immer schlechter als a „bleds Mensch“ war.
Ich zieh mir daher nach reiflicher Überlegung „a schens Mensch“ an und freu mich über den Anblick der fallenden Blätter.