Bike.Polo.Stadt. (#13)
Der Mensch lebt nicht vom Bikepolo allein – nein! Versuchen Sie es nicht, liebe LeserInnen, wir, die Pony Asphalt Force, haben es probiert und sind, ja, wir scheuen uns nicht, es in aller Deutlichkeit mahnend zu sagen, kläglichst gescheitert. Der Mensch muss auch ins Kino gehen und (Fahrrad-)Filme anschauen! So! Jetzt ist es raus. KINO. In diesem Fall Fahrradkino unter Sternen.
Dieses Grundbedürfnisses der Menschheit hat sich der Cycle Cinema Club (CCC) seit nunmehr sechs Jahren angenommen und bietet Fahrradkino im öffentlichen Raum bei freiem Eintritt für alle an. Der Strom für die technischen Anlagen kommt nicht aus der Steckdose, sondern wird vom Publikum vor Ort auf drei umgebauten E-Bikes erradelt – somit ist der CCC völlig energieautark und kann wo immer es beliebt Kino anbieten. Das spezielle Feature Wir-machen-uns-unseren-Strom-selber kommt beim Publikum sehr gut an. Sich einen Kino-Abend gemeinsam zu erradeln, schweißt zusammen und sensibilisiert gleichzeitig für das Thema Stromverbrauch und Energiebedarf. Drei gemütlich angetriebene Räder reichen für Kino – also Beamer, Soundanlage, Mischer und das eine oder andere Stück rätselhafte Elektronik? Ja, und das gefällt nicht nur uns Cycle Cinema Nerds, sondern auch dem Publikum.
Der Autor dieser Zeilen ist enthusiastischer CCC-Kino-Mitbetreiber und nun seit zwei Jahren regelmäßig bei Kinovorführungen in Stadt und Land dabei. Auch die An- und Abreise findet per pedales oder bei weiter entfernten Spielstätten mit dem Zug statt. Nach einer Runderneuerung der gesamten Ausrüstung im letzten Winter war es diesen Sommer so weit: Wir wagten uns auf unsere erste mehrtägige Cycle Cinema Club Tour durch die österreichischen Lande. Fünf Tage, fünf Filmvorführungen, fünf Orte im Tiroler Inntal. Würde die Ausrüstung strammen Tiroler MountainbikerInnenwadeln standhalten? Würden die TirolerInnen Gefallen finden am urbanen DIY-Fahrradkino? Was würde das berüchtigte Tiroler Wetter zu unserer Tour beisteuern? Würden wir den Strapazen des Tourlebens standhalten und – am wichtigsten – wie würde sich der Bikepolo-Entzug auf unsere mentale Verfassung auswirken? Immerhin vier von vier CCC-Tour-Mitgliedern sind BikepolospielerInnen … es war ein Unterfangen von nicht geringem Risiko! Aber da der Ruf aus Tirol, endlich auch dort unser Fahrradkino vorzuzeigen, laut und deutlich bis in den Zweiten Wiener Gemeindebezirk zu vernehmen war und Risiko ohnehin der Familienname einer jeden BikepolospielerIn ist, saßen wir schon bald gemütlich im Zug nach Wörgl.
Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass die folgenden fünf Tage einen großen Teil des Spektrums zeitgenössischer, mitteleuropäischer Alltagskultur widerspiegelten. Von gemütlichem Diavortragsabend im Turnsaal der lokalen Volksschule bei stürmendem Regen bis hin zum Hollywood Blockbuster unter Sternenhimmel für 200 ZuschauerInnen, von wildem internationalen Fahrradfilmabend in einem kleinen Park in Innsbruck für ein tendenziell junges Publikum bis hin zum lokalen Tiroler Schützenhorrorheimatfilm in einem kleinen Dorf mit begeistertem älteren Publikum war alles dabei.
Die Räder haben vorzügliche Arbeit geleistet, nur eine kleine Sattelhalterung fiel dem Einsatz eines zu engagiert radelnden Zuschauers zum Opfer, wir wurden durchwegs von freundlichen und interessierten Menschen empfangen, die unser Fahrradkino keineswegs belächelten, sondern alles darüber wissen wollten. Die Strapazen an der geselligen Umtrunk-Front waren zwar beträchtlich, aber der Mensch gewöhnt sich an alles, warum nicht auch an Alkohol? Überhaupt setzte sich in Tirol fort, was in den letzten Jahren an vielen Orten zu bemerken war: Menschen mögen die Idee des Cycle Cinema Clubs, unabhängig von Alter, Geschlecht oder politischer Einstellung. Es gefällt ihnen, die Dinge hautnah zu erleben, es gefällt ihnen, unabhängig zu sein und selbst bestimmen zu können, wo sie was machen, und es gefällt ihnen, dass einige wenige Menschen ohne spezielle technische Ausbildung ein funktionierendes und praktisches System bauen können, das Spaß macht. Es gab mehrere Ideen zu einem eigenen Fahrradkino in Tirol – wir hoffen die ersten zarten Ideen gedeihen und können zu tollen Projekten reifen.
Für alle, die beim Screening in Innsbruck nicht dabei sein konnten, noch ein kleiner Filmtipp am Ende: „Tall Bikes Will Save The World“. Unbedingt anschauen. Wer nach dem Film nicht glaubt, dass Tallbikes die Welt nicht zumindest ein bisschen retten werden, hat ein Herz aus Stein oder ein Hirn aus Matsch. Oder beides. 3, 2, 1 – screen it!