Wir sitzen beim Feinultraschall, dem Organscreening. Wir müssen das abchecken, damit unser Kind in dem hebammengeführten Geburtshaus auf die Welt kommen kann und wir nicht ins Spital müssen. „Da sieht man’s“, meint der freundliche Mitdreißiger, der geduldig mit dem Plastikstab auf dem Bauch herumfährt. Er sagt: „Sie bekommen ein Mädchen“. Wir haben Tränen in den Augen. Unser Kind nimmt Gestalt an. Als wir an diesem warmen Aprilnachmittag die Praxis verlassen, fällt uns auf, wie stark „ein Mädchen“ doch auf uns wirkt.
Jetzt ist sie fast ein Jahr, und immer wieder wird sie als Bub angesprochen. „Na, er liebt die Wassermelone, er liebt einfach die Melone“, meint eine lachende Dame, als mein Baby im Einkaufswagen daran herumknabbert. „Er will den Apfel mit mir teilen, das ist ein ganz Lieber“, als Ida – diesmal sogar mit Kleid – diesen einem älteren Mann anbietet. „Wem gehört der Kleine?“, als sie im Wartezimmer vom Kinderarzt herumrobbt. Meine Antworten bleiben dieselben: „Ja, er liebt einfach Wassermelonen!“, der Dame zurückgrinsend. „Gell, er teilt sein Essen so gern“, zu dem Herren am Rollator. „Das ist meiner“, im Wartezimmer.
So sehr mir damals beim Organscreening die Tränen eingeschossen sind, als aus dem „Es“ eine „Sie“ wurde, so egal ist mir heute, ob man aus dem „Sie“ ein „Er“ macht. Und auch wenn Ida dann Haare hat, werden wir keine Haarspange hineinklipsen, damit für alle klar ist, wohin sie gehört. Ich möchte ein Papa sein, der ihr den Gestaltungsspielraum gibt, den sie braucht. Das heißt für mich aber auch, ihr keine vorgefertigten Entwürfe überzustülpen. Was immer der Kleiderkasten hergibt, ist gut. Ich werde die rosa Sachen nicht meiden und ich werde ihr nicht extra blauen Sachen anziehen. Sie soll ein Kind sein.
Unser Baby soll sich in der Welt entwickeln, ohne in den einen oder das anderen Lebensentwurf gedrängt zu werden. Die Gesellschaft macht mit ihr ohnehin, was sie will. Letztendlich muss Ida sich in dieser Welt, in der so viel verkehrt ist, zurechtfinden und ihre eigenen Vorstellungen von sich – mit unserer Unterstützung – entwickeln. Ihr Lebensentwurf muss nicht meinem Ideal entsprechen, das ist nicht wichtig. Wie sie sich kleidet, wie sie wohnt und was sie arbeiten will, ist mir egal. Aber es ist mir wichtig, dass sie ein freundlicher, mitfühlender und selbstbewusster Mensch wird.