MALMOE

Die Geschichte eines ganzen Landes

Mit der Graphic Novel Peršmanhof. 25. April 1945 erscheint bei bahoe books eine weitere Publikation, die den lokalen Widerstand gegen den Nationalsozialismus beleuchtet

Der historische Kontext des von Evelyn Steinthaler konzipierten und Verena Loisel illustrierten Werks Peršmanhof ist der Partisan_innenwiderstand in Kärnten/Koroška, der als massivster bewaffneter Widerstand gegen den Nationalsozialismus auf heutigem österreichischen Staatsgebiet gilt. Am 25. April 1945 ereignete sich am Peršmanhof ein sogenanntes Endphasenverbrechen, bei dem elf Menschen, vier Erwachsene und sieben Kinder, größtenteils Familienmitglieder der den Hof bewirtschaftenden Familie Sadovnik, vom SS- und Polizeiregiment 13 ermordet wurden. Das brutale Massaker am Peršmanhof und der entwürdigende revisionistische Umgang der Behörden mit den Überlebenden und ihrer Geschichte schrieben sich tief in das kollektive Gedächtnis der Kärntner Slowen_innen ein. Am Ort des Verbrechens wurde in den 1980er-Jahren ein Museum errichtet und der Peršmanhof avancierte damit zu einem Ort des Erinnerns, des Empowerments für die Kärntner Slowen_innen und der wichtigen Intervention in den deutschnational geprägten Kärntner Konsens.

Steinthaler und Loisels illustrierte Nacherzählung des Massakers hält sich sehr genau an den neuesten Stand der historischen Forschung. Das Verbrechen gegen die Menschlichkeit wird nüchtern, ohne fiktive Ausschmückungen wiedergegeben. Die gewählte Bildersprache vollbringt es, der Darstellung der Opfer Leben einzuhauchen. Wie auch Historikerin Lisa Rettl im Epilog des Buches schreibt, werden die Opfer nicht nur mit Namen erwähnt, sondern als „Persönlichkeiten, die das Leben am Hof aber auch in der Umgebung um Eisenkappel/Železna Kapla prägten“ dargestellt. Evelyn Steinthaler äußert sich im Prolog des Werks über das Potential der gewählten Vermittlungsform: „Eine Graphic Novel ist keine wissenschaftliche Abhandlung […], sie ist der Versuch eine Geschichte, die einer das Herz zerreißt, zu erzählen.“ Der für die Erzählung gewählte Fokus auf die Persönlichkeiten der Familie Sadovnik gibt im speziellen auch Einblicke darüber, wie unentbehrlich die Unterstützung der kärntnerslowenischen Zivilgesellschaft für den Partisan_innenwiderstand war.

Der vorhin erwähnte Prolog stellt im Allgemeinen eine große Bereicherung für die Publikation dar. Evelyn Steinthaler reflektiert darin in Form eines fiktiven Dialogs, was Verena Loisel in der Illustration anhand der Darstellung der Überlebenden Ana Sadovnik zuspitzt: das Spannungsfeld zwischen dem Recht, der Pflicht und der Last des Erinnerns. Gerade jenen, denen das Recht zustehen sollte, die Geschichte, ihre Geschichte, zu schreiben und zu verbreiten, liegt sie oft am schwersten und schmerzhaftesten auf den Schultern.

Eine schmale Graphic Novel mit 72 Seiten kann der Komplexität, in die sich das Verbrechen am Peršmanhof einbettet, natürlich nicht in all seinen Facetten gerecht werden. Dennoch stellt der von Evelyn Steinthaler und Verena Loisel unternommene Versuch eine weitere Annäherung, eine weitere alternative Form der Vermittlung einer Geschichte dar, „die einer das Herz zerreißt“ und die niemals in Vergessenheit geraten soll. Darüber hinaus spannen Prolog, illustrierte Narration und der von Lisa Rettl verfasste geschichtswissenschaftliche Epilog eine Diskussion über verschiedene Beweggründe und Bedürfnisse des Erinnerns auf, die zum Nachdenken anregt. Die AutorInnen unterstreichen, über keine finalen Antworten auf Fragen noch das Recht und die angemessene Form des Erinnerns zu verfügen. Sie haben in ihrem Reflexionsprozess dennoch einen Zwischenstand erreicht, den diese Graphic Novel gelungen auf den Punkt bringt:

„[…] Weil es nicht nur die Geschichte von Ana Sadovnik ist, sondern die eines ganzen Landes, die erzählt werden muss, Draga.“

Evelyn Steinthaler, Verena Loisel: Peršmanhof. 25. April 1945, Bahoe Books, Wien 2018