Zur Lage alternativer Medien in Österreich
Bei der Frage, warum es 2018 komplizierter denn je zu sein scheint, linke Medienarbeit zu betreiben und progressive Inhalte zu vermitteln, gilt es zwei grundlegende Aspekte zu bedenken.
Erstens: Es ist nicht so, dass linke Medien allesamt die Digitalisierung verpennt hätten. Okay, bei einigen mag es so sein. Und dennoch, die vorherrschende Clickbaiting-Kultur und andere mediale Transformationsprozesse sind eben Gift für Texte, deren Anliegen es ist, fundierte Gesellschaftsanalyse und -kritik an den Menschen zu bringen. Es ist außerdem nicht so, dass sich linke Medienmacher*innen nicht Gedanken machen würden, wie man Inhalte niederschwellig aufbereitet und somit emanzipatorische Gedanken zugänglich macht. Wo die Grenzen solcher auf mehr Eingängigkeit ausgerichteter Versuche in einem Land liegen, in dem die „Volksmeinung“ von Heute oder Kronen Zeitung diktiert wird, ist selbsterklärend. So wie die Printausgabe der Heute den öffentlichen Raum verschmutzt und doch täglich von Millionen in die Hand genommen wird, so ist es das dahinter liegende boulevardeske Geschäftsmodell, das natürlich auch im Internet vorzüglich, wenn nicht gar noch besser funktioniert, weil das Hineinklicken in die stumpfe Welt von Sex, Crime und Violence vermischt mit viel Menschenfeindlichkeit und Dummheit so schnell und so einfach getan ist. Der viel gerühmte „Qualitätsjournalismus“ ist in Österreich ein Phantasma und man braucht nur eine Woche lang den Standard zu studieren, um zu erkennen, dass angeblich hehre journalistische Ideale tendenziell der Sensation, der Phrase und der Plumpheit unterliegen.
Strategisch könnte man sich überlegen, inwiefern sich in einer solchen Medienstruktur etwa aus dem Konzept der Skandalisierung Vorteile für die eigenen Anliegen gewinnen ließen. In vielen Redaktionen reibt man sich die Hände, wenn man mal die Gelegenheit hat, einen Nazi zu „entlarven“. Nur: Ein Skandal wie um die antisemitischen Gesangsbücher der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt ist für die österreichische Mehrheitsgesellschaft keiner. Udo Landbauer sitzt für die FPÖ bereits wieder im niederösterreichischen Landtag.
Die Einzigen, die sich professionell auf das Spiel von Clickbaiting und ähnlichen Medienmethoden eingelassen haben und dabei doch häufig den Spagat zu einer glaubhaften antisexistischen oder antifaschistischen Grundhaltung geschafft haben, waren tatsächlich einige österreichische Vice-Redakteur*innen. Und die sind mittlerweile von ihren Aufgaben zurückgetreten, weil ihre Unabhängigkeit künftig vom Gutdünken des Dachverbandes in Berlin abhängen wird.
Medien-Inkompetenz
Zweitens: Es mutet etwas paradox an, dass das Fundament linker Medien die Entwicklung einer kritischen Medienkompetenz ist, eine solche aber – in degenerierter Form – von den Rechten erst eine signifikante Verbreitung erfahren hat. Was hat man in der Linken nicht jahrzehntelang über die Kritik an Mainstream-Medien und deren Funktionsweisen philosophiert, Schlagwörter wie „vermachtete Öffentlichkeit“ oder „Medien als vierte Gewalt“ bedient, über die Schaffung einer alternativen Medienöffentlichkeit, die den Stimmlosen eine Stimme gibt, diskutiert. Am Anfang der Plattform Indymedia stand noch die optimistische Devise „Don‘t hate the media, become the media“. Zugegeben, es wäre schon sehr verwunderlich gewesen, hätte sich die Rechte nicht irgendwann auch dieses von links-unten kommende Konzept gekrallt. Dank diverser YouTube-Channel oder Magazine wie Compact, die sich angeblich gegen die Mainstream-Meinung und das „Establishment“ richten, hat sich eine ziemlich krude Form von pseudo-kritischer Medien-Inkompetenz entwickelt und das leider massenhaft. Wenige Parolen haben in den letzten Jahren solch einen Impact auf die Gedanken vieler Menschen gehabt wie jene von „Lügenpresse“ und „Fake News“; Verschwörungstheorien sind mittlerweile Staatsräson. In solch einer Situation ist es schwierig zu sagen, wo man anfangen soll, um eine tatsächlich kritische Medienkompetenz zu stärken und das Bullshit-Gelaber der bürgerlich-liberalen Presse zu dekuvrieren. Linke Positionen gehen in paranoid geprägten Nichts-ist-wahr-Diskursen unter, beziehungsweise spielen – no na ned – schlichtweg keine Rolle, wenn es um eine Kritik am herrschenden (Medien-)System geht.
Rechte Medien boomen
Anders sieht es bei jenen Medien aus, die sich ihrerseits als Speerspitze der „kritischen“ Berichterstattung im Land sehen. Sie heißen bekanntlich Zur Zeit, Info-DIREKT, Alles Roger? oder unzensuriert.at. Sie werden mit Inseraten versorgt (so zum Beispiel vom Innenministerium, das via Anzeigen bezeichnenderweise nach Nachwuchskräften für die Polizei sucht), müssen sich nicht um die Förderung durch die öffentliche Hand sorgen (denn ihre Inhalte sind nach türkis-blauer Perspektive ja schließlich von gesellschaftlicher Relevanz und Aktualität), die Abo- und Klickzahlen sind äußerst zufriedenstellend (unzensuriert.at hat bei Facebook etwa 60.000 Likes, das sind mehr als etwa Der Falter; Zur Zeit hat immerhin eine wöchentliche Auflage von 22.000 Stück).
Dennoch wird am rechten Medienrand auch ausgesondert. Das vom Freiheitlichen Akademikerverband (FAV) herausgegebene Monatsmagazin Die Aula war lange ein publizistisches Zentralorgan der FPÖ, wurde dieser aber schließlich zur Last: Das Image der Aula war so beschädigt, dass sie im Juni 2018 eingestellt wurde. Es waren wohl vor allem jener Artikel von Manfred Duswald, in dem KZ-Überlebende als „Landplage“ bezeichnet wurden, die nach ihrer Befreiung „raubend und plündernd, mordend und schändend“ durchs Land gezogen seien, oder die Bezeichnung des österreichischen Eurovisions-Song-Contest-Teilnehmers Cesár Sampson als „Quotenmohr“, die dann ein Quäntchen zu viel waren. Der Obmann des FAV Steiermark, Heinrich Sickl, kündigte jedoch bereits ein neues „patriotisches Magazin“ für diesen Herbst an. Details sind noch nicht bekannt, man darf allerdings davon ausgehen, dass Sickls neues Projekt nicht weniger mit der FPÖ verbandelt sein wird als vorher.
Die Medien der extremen Rechten haben also einen ganzen Parteiapparat und die damit verbundenen Milieus hinter sich. Oder in anderen Fällen die Milliarden eines Didi Mateschitz, dessen Sender Servus TV in jüngerer Vergangenheit sich gezielt im nationalistischen Spektrum positionierte (vgl. den Artikel von Volkan Ağar in MALMOE 79).
Notwendigkeit von Allianzen
Auf solche Strukturen können linke Medien wenig verwunderlich nicht zurückgreifen, und sie sollten es um ihrer Unabhängigkeit willen auch nicht tun. Wie aber kann man sich für die nicht sonderlich rosige Zukunft aufstellen? Nahe liegende, weil von Linken immer wieder erprobte Wege sind die Solidarisierung und Bildung von Allianzen. Nur wie können Medienproduzent*innen dies bewerkstelligen?
Im Zuge der aktuellen Kürzungswelle bei kritischen Frauen*vereinen wurde den feministischen Medien an.schläge und Frauensolidarität die Förderung über das Frauenministerium zur Gänze gestrichen (siehe dazu Bernadette Schönangerers Artikel in dieser Ausgabe). Die Solidarität untereinander ist für alternative Medienarbeit ein elementarer Baustein, sie öffentlich auszudrücken erfordert letztlich nicht viel Aufwand, wie man im Falle der Förderungsstreichung für die an.schläge sehen konnte. Gerade über die Sozialen Medien lässt sich eine Kampagne gut spreaden, eine Vielzahl linker Medien hatte das Thema online oder offline aufgegriffen, die an.schläge-Unterstützungs-Initiative war am Ende durchaus erfolgreich.
Eine Allianz zu bilden und diese abseits von Lippenbekenntnissen und formalen Verknüpfungen in die Praxis umzusetzen, ist eine weitaus schwierigere Aufgabe. Das liegt in erster Linie daran, dass für viele Redaktionen im Tagesgeschäft nicht allzu viel Zeit und Energie für Bündnispolitik verbleibt, die neben der Produktion des eigenen Heftes und im weiteren Sinne der Sicherstellung davon, dass das eigene Medium am Leben gehalten wird, aufgebracht werden müssten. Der nächste Redaktionsschluss ist immer viel zu nahe, als dass man die Ressourcen hätte, die eigentlich notwendige, über die eigene „Content Production“ hinausgehende Arbeit zu leisten. Bezeichnend dafür ist, dass es in der Vergangenheit durchaus immer wieder die Versuche gab, ein Netzwerk alternativer Medien zu etablieren, welche dann jedoch bald darauf in Vergessenheit gerieten.
So beschlossen einige Medienakteure 1999 auf der Medienkonferenz in Linz künftig kollektiver zu arbeiten. Im Vorwort des auf die Linzer Konferenz folgenden Sammelbandes sektor3medien99 heißt es: „Die Medienkonferenz Linz 1999 signalisierte Kurskorrekturen zur Kultur- und Medienpolitik und bildete damit den Auftakt, die verschiedenen Felder der Freien Szene zu vernetzen und dort, wo diese sinnvoll erschienen, Kooperationen innerhalb der einzelnen, aber besonders auch quer durch die verschiedenen Medienformen zu initiieren. Eine derartige Verklammerung der Szenen alternativer Printmedien, Freier Radios und Initiativen der Netzkultur war bislang immer ausgeblieben, wohl nicht aus Desinteresse oder mangelnder Solidarität, sondern aus den Zwängen und Notlagen des Alltags von nicht-staatlichen und nicht marktwirtschaftlich orientierten Medieninitiativen. Die rege und engagierte Beteiligung an der Medienkonferenz zeigte jedenfalls, daß es offenbar an der Zeit ist, Informationsaustausch, Vernetzung und Kooperation zu verstärken; nicht nur wegen der Kongruenzen der politischen Ziele und Inhalte und wegen der gemeinsamen Interessenlagen gegenüber den anderen beiden Sektoren, also Staat und Markt, sondern auch, weil die technologischen Entwicklungen im Mediensektor eine Transformation von Kongruenzen zu Konvergenzen bewirken.“ Abgesehen davon, dass man sich untereinander kennt und wertschätzt und ab und zu die Autor*innen tauscht, ist eine wirkliche, breite und nachhaltige Kooperation verschiedener linker Medienprojekte in den bald 20 vergangenen Jahren im größeren Ausmaß kaum zu beobachten gewesen.
Widerstandsmedien?
Ansonsten sind es heute weniger die technologischen Entwicklungen im Mediensektor, die eine engere Zusammenarbeit von Medien, die sich in Opposition zu Markt und Staat – respektive dessen Regierung – befinden, erforderlich machen, sondern die offensichtliche Faschisierung der Republik Österreich und die damit drohende Auslöschung kritischer Öffentlichkeit. Vor diesem Hintergrund wird nun durchaus versucht, verschiedene Medienprojekte zusammenzubringen, dabei ist der Zweck sowohl Selbstschutz durch Verbündung als auch die Einsicht in die Notwendigkeit und sogleich der Wille dazu, eine starke Stimme gegen Türkis-Blau und die österreichischen Zustände darzustellen. Selbstverständlich verlässt man sich dabei primär auf die Kolleg*innen innerhalb der Gegenkultur. Klar, Florian Klenk und Armin Wolf sind erfolgreicher darin, der derzeitigen Regierung hie und da ans Bein zu pissen, man sollte sich aber nicht der Illusion hingeben, dass die Redaktionen und Geschäftsführungen von Falter und Standard im Zweifel irgendwann mehr fordern würden als eine „Bobo-grün-sozial-und-nachhaltig-Marktwirtschaft“. Wenn überhaupt.
Aktuell ist es daher eine Runde von bisher zehn Medienprojekten (MALMOE, an.schläge, Augustin, Bildpunkt, Frauensolidarität, Mosaik, Radio ORANGE 94.0, skug.at, Volksstimme, ZIGE.TV), in der sich überlegt wird, wie man künftig wieder stärker kooperieren und gemeinsames Agenda Setting betreiben kann. Ein erstes öffentliches Vernetzungstreffen fand Anfang September im Rahmen des Volksstimmefestes statt. Dabei ist man sich darüber im Klaren, dass in Österreich die rechte Hegemonie so schnell nicht gebrochen werden kann. Schon gar nicht von einer Medieninitiative, die strukturell prekarisiert ist und deren Reichweite, zählt man alle Mitwirkenden zusammen, nicht mal ein Prozent der Bevölkerung umfasst. Aber banal gesagt: Irgendwo muss man nun mal anfangen. Und dabei ist es immer gut zu wissen, dass man nicht alleine steht.