Feministische Ökonomie (#5)
Eigentlich meint der Begriff „Ökonomie“ abgeleitet aus dem Altgriechischen „oikonomia“ die Verwaltung des Haushaltes, das am guten Leben Erhalten der Haushaltsmitglieder. Doch der Haushalt und die dort geleistete Reproduktions- und Care-Arbeit bleibt in der gegenwärtigen Mainstream-Ökonomie fast völlig ausgeblendet. Worum es gemeinhin in der Ökonomie geht, sind die Haushalte von Nationen, deren Wirtschaftswachstum mit dem Bruttoinlandsprodukt als wichtigster Messgröße erfasst wird. Die Arbeit im Haushalt kommt nicht im BIP vor, ebenso wenig wie Umweltzerstörung, Vernichtung durch Kriege und die unwiederbringliche Ausbeutung von Rohstoffen (was mit der absurden Idee vom grenzenlosen Wachstum zusammenhängt). Auch Ungleichheit und Ausbeutungsverhältnisse sind wenig interessant im Wachstumsparadigma.
Wie kommt es aber eigentlich dazu, dass relativ wenige unglaublich viel besitzen, während die meisten wenig besitzen und für die Habenden weitere Profite erwirtschaften? Dass Frauen unbezahlt im Haushalt arbeiten, dass auf Grund von „Rasse“/Herkunft/„Ethnie“ auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert wird, dass (ehemalige) Kolonien und die Umwelt ausgebeutet werden? Urväter der ökonomischen Theorie beantworten diese Fragen sehr unterschiedlich. Adam Smith meint 1776 in The Wealth of Nations zwar, dass die erstmalige Anhäufung von Kapital noch vor der kapitalistischen Arbeitsteilung erfolgt sein musste, glaubt aber daran, dass die fleißigeren Arbeiter einstmals einfach härter gearbeitet und so die Früchte ihrer Arbeit als Kapital angehäuft hätten. Karl Marx erklärt dies in Das Kapital (1867–83) ganz anders. Das was er „die ursprüngliche Akkumulation“ nennt, spielt in seiner politischen Ökonomie „ungefähr dieselbe Rolle wie der Sündenfall in der Theologie. […] Die Entdeckung der Gold- und Silberländer in Amerika, die Ausrottung, Versklavung und Vergrabung der eingebornen Bevölkerung in die Bergwerke, die beginnende Eroberung und Ausplünderung von Ostindien, die Verwandlung von Afrika in ein Geheg zur Handelsjagd auf [Schwarze] 1Der rassistische Begriff im Originaltext wurde ersetzt., bezeichnen die Morgenröte der kapitalistischen Produktionsära. Diese idyllischen Prozesse sind Hauptmomente der ursprünglichen Akkumulation. Diese Methoden beruhn zum Teil auf brutalster Gewalt, [… die Gewalt] selbst ist eine ökonomische Potenz.“ Silvia Federici ergänzt 2012 in Caliban und die Hexe. Frauen, der Körper und die ursprüngliche Akkumulation: Es sollte weiters „eine neue geschlechtliche Arbeitsteilung durchgesetzt werden, die für Frauen und Männer nicht nur unterschiedliche Aufgaben vorsah, sondern auch unterschiedliche Erfahrungen, Lebensweisen und Verhältnisse zum Kapital sowie zu anderen Sektoren der Arbeiterklasse. Die geschlechtliche Arbeitsteilung war also, nicht weniger als die internationale, vor allem ein Machtverhältnis: eine Spaltungslinie innerhalb der Arbeiterschaft und zugleich ein enormer Antrieb für die Kapitalakkumulation.“ Wie sie schreibt, wurde mit der Institutionalisierung der Sklaverei schließlich Rassismus gesetzlich verordnet und führte zu einer weiteren Spaltung der Arbeitenden. Historisch gesehen erfolgt die ursprüngliche Akkumulation im Zuge einer Terrorherrschaft mit Hexenverfolgungen und der Einkerkerung von Nicht-Sesshaften, der Auflösung der Commons/der Allmende im Zuge der Einhegungen, mit der Teilung in Privat und Öffentlich, dem Entstehen von kapitalistischer Produktion und der Etablierung der Kolonien. So kann Ökonomie als eng verknüpft mit den gewaltsamen Akten imperialistischer, rassistischer und patriarchaler Herrschaft verstanden werden. Selbst das BIP als Messinstrument in seiner gegenwärtigen Form entstand, um den Kriegshaushalt statistisch zu stützen, entworfen in den 1940er Jahren von John Maynard Keynes in seiner Schrift „The British National Income and How to pay for the War“.
2017 beträgt das Militärbudget der 15 mächtigsten Rüstungsindustrien 1.200 Milliarden Euro. (Mit dieser Summe könnte sowohl der Klimawandel als auch der Hunger in der Welt beendet werden.) Den USA als stärkste globale Militärmacht ist das 523 Milliarden Euro, also rund 3 % des BIP (Quelle: Weltbank) und rund die Hälfte aller Staatsausgaben, wert.
Die feministische Ökonomie beschäftigt sich seit Marilyn Warings If Women Counted (1988) wenig mit dem Thema Militärausgaben, Krieg und Gewalt. Während der ersten und zweiten Frauenbewegung war Friedenspolitik ein Kernanliegen; feministische Bewegungen heute agieren weniger verschränkt mit Friedens-Aktivismus; vielmehr reiben interne politische Kämpfe und persönliche Machtinteressen oftmals linke und feministische Bewegungen auf. In diesem Sinne soll dieser Text ein Aufruf sein, zum verstärkten feministischen Widerstand gegen Krieg und Gewalt: Um wie in der letzten Kolumne auf Vorbilder aus der feministischen Utopie zurückzugreifen: Vorschläge für gewaltfreien Widerstand finden sich in Starhawks The Fifth Sacred Thing (1993); Vorbilder für Cyborg-Kriegerinnen* in Joanna Russ’ The Female Man (1975).