Ein Interview mit FPÖ-Sozialministerin Beate Hartinger-Klein zu verfolgen ist wie ein Hütchenspiel, bei dem die Zuhörer_innen im wirren Hin und Her versuchen müssen, die eigentliche Aussage nicht aus den Augen zu verlieren. Hartinger-Klein fordert zum Beispiel von der AUVA 500 Mio. Euro „in der Verwaltung“ einzusparen, somit mehr als ein Drittel des Gesamtbudgets. Eine magische Milliarde soll die Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen abwerfen; Prozessoptimierung, Netzwerkbildung und Bündelung lauten die herumwirbelnden Zauberworte. Wie sie auf diese Zahlen kommt lässt sie offen. Auf die Frage, wie das ohne Leistungskürzungen, Verschlechterungen in der Behandlung der Patient_innen und der Arbeitsbedingungen von Ärzt_innen und Pflegekräften gehen soll, antwortet sie lächelnd: „Mit Anstrengung geht das“.
Die Mindestsicherung ist an sich ein Thema, über das Schwarz und Blau gerne sprechen, steht sie doch seit Jahren im Zentrum einer rassistischen Kampagne, die den Blick auf den umfassenden Sozialabbau vernebeln soll. Mantra-artig wiederholen Kurz und Strache ihre Phrasen wie jene von der „Zuwanderung ins Sozialsystem“, bis die Mindestsicherung fast schon nichts mehr mit den in Österreich lebenden Menschen zu tun hat.
Nicht so gerne spricht die Regierung da schon über Pläne, die Notstandshilfe abzuschaffen und ein Hartz IV ähnliches System in Österreich einzuführen. In einem ihrer ersten glanzvollen Interviews in der ZIB darauf angesprochen, betonte Hartinger-Klein mehrfach, einen Zugriff auf das Vermögen von Arbeitslosen werde es nicht geben. Die Notstandshilfe abzuschaffen und damit ihre Bezieher_innen in die Mindestsicherung zu drängen bedeutet für die Betroffenen jedoch, dass sie Haus oder Eigentumswohnung verkaufen und Erspartes bis zu einem geringen Freibetrag von rund 4000 Euro auflösen müssen. Ein geringfügiger Zuverdienst zum Arbeitslosengeld ist dann ebenfalls nicht mehr möglich und es werden keine Pensionsansprüche erworben. Hartinger-Klein wurde umgehend zurückgepfiffen, Kanzler Kurz erklärte, natürlich sei es legitim, auch auf den Besitz von Langzeitarbeitslosen zuzugreifen. Die Regierungskoordinatoren Blümel und Hofer sollten daraufhin diese Agenda von der Sozialministerin übernehmen. Es könne ja zwei verschiedene Mindestsicherungsmodelle geben, versucht Hartinger-Klein zu beschwichtigen.
Pläne der ÖVP, ein mit Hartz IV vergleichbares System in Österreich einzuführen, kursieren schon länger. Vorstöße dazu gab es dazu in der Vergangenheit zum Beispiel von Ex-Innenminister und NÖAAB-Chef Wolfgang Sobotka oder vom ehemaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling, der eine Machbarkeitsstudie zu Hartz IV in Österreich beauftragte und lasche Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose bemängelte. Der österreichischen Gastronomie mangle es an (billigen) Arbeitskräften, beklagte er. Diese Stellen würden nun Deutsche besetzen, die (Hartz IV sei Dank?) eher bereit seien, etwa in den Tiroler Tourismusgebieten zu arbeiten.
Als Ergebnis der Regierungsklausur in Mauerbach präsentiert Schwarz-Blau nun stolz, dass in Zukunft die Mindestsicherung für Kinder gekürzt und Wohnkostenzuschüsse gestrichen werden sollen. Subsidiär Schutzberechtigte sollen von Unterstützung gänzlich (!) ausgeschlossen und der Bezug der vollen Mindestsicherung an gute Deutschkenntnisse geknüpft werden. Damit wird ein neuer Versuch gestartet, EU-Recht, Verfassung und Menschenrechtskonvention zu umgehen. Ob Integrationsbonus, Arbeitsqualifikationsbonus oder „Asyl auf Zeit“: Wenn es darum geht, eine repressive Sozial- und Asylpolitik umzusetzen, scheinen eine aufwändige Verwaltung und damit auch höhere Kosten nicht weiter zu stören.
Worüber in Zusammenhang mit der Mindestsicherung kaum noch gesprochen wird, aber gesprochen werden sollte: Eine gute soziale Sicherung bedeutet Schutz vor Lohndumping und Ausbeutung für alle, Menschen vor dem Abrutschen in verfestigte Armut und sogar Obdachlosigkeit zu schützen ist für die Gesellschaft als Ganzes von großem Wert. Das sollte man bei all den Ablenkungsmanövern nicht aus den Augen verlieren.