MALMOE

Fragen an die Volksoper

Sie prangt an der Währinger Straße und wurde 1898, fast zeitgleich mit der an ihr vorbeiführenden Stadtbahn (die heutige U-Bahn Linie U6), eröffnet. Wo vier Jahre zuvor noch der Linienwall die Wiener Vorstadt von den Vororten Wiens trennte, schenkte Wiens Bürgermeister Karl Lueger den Wiener_innen eine Bühne, die frei von allem Jüdischen sein sollte. Wiens heute zweitgrößtes Opernhaus im MALMOE-Talk.

Sie sind ja mittlerweile vor allem als Operetten- und Musicalbühne bekannt – stört Sie das eigentlich und wie verträgt sich das mit Ihrem Namen VolksOPER?

Nun, ich war schon immer populär. Und ich bin ein vielfältiges Haus. Ich versuche in mir zu vereinen, was unser Direktor Robert Meyer als „das Zusammenbringen von Tradition und Moderne“ beschreibt. Bei mir gibt es moderne, avantgardistische Oper und altösterreichische Operette, Musical-Schlager und genreübergreifendes Ballett. Und die letzten Jahre geben mir recht: Die Sitzplatzauslastung steigt und lag in der letzten Spielzeit über jener des Burgtheaters bei 78,06 %.

Bei Arthur Schnitzler habe ich gelesen, dass Sie 1898 aus einem bestimmten Grunde eröffnet wurden?

„Als Lueger 1897 Bürgermeister von Wien wurde (…), [w]urde der Antisemitismus (…) auf das Gebiet der Kultur verlagert. Hier sollte mit provinzialisch-österreichischer Überheblichkeit der jüdischen Vorherrschaft im Wiener Kulturleben Paroli geboten werden. Ein arisches Theater – heute Volksoper – wurde in Wien gebaut, um die christlich-arisch-deutsche Bevölkerung dem Einfluss der jüdischen Kulturschaffenden, die die große österreichische Kultur der Jahrhundertwende mitschufen, zu entziehen. Ein Versuch, der kläglich scheiterte, weil man im Wien des Fin de Siècle nicht mit Dilettantismus und provinziellem Antisemitismus Theater machen konnte.“ (Quelle: Jonny Moser im Nachwort zu Arthur Schnitzler: Professor Bernhardi, Theater in der Josefstadt, Spielzeit 1987/88).

Ging man deshalb 1903 erstmals Konkurs?

Das könnte man so sagen.

Änderte sich die Politik, nur christliche Werke und AutorInnen zu spielen, nach der Neuübernahme?

Auch das könnte man so sagen, ja. Seit 1904 war ja auch der Herr Alexander von Zemlinsky Musikdirektor, selbst Sohn einer sephardischen Jüdin. Zu jener Zeit wurde nebenbei auch mit dem Musiktheater begonnen, zusätzlich zu den Sprechstücken.

Interessant. Wenn ich auf Ihrer Website die Geschichte des Hauses anschaue, dann steht da geschrieben: „Die heutige Volksoper Wien wurde 1898 als »Kaiser-Jubiläums-Stadttheater« eröffnet und zunächst nur als Sprechbühne geführt. Erst 1903 wurden auch Opern und Singspiele in den Spielplan aufgenommen. 1904 wird aus dem Stadttheater Wien die Volksoper.“ Wieso steht hier nichts über den antisemitischen Hintergrund Ihrer Gründung?

Hochverehrte MALMOE, Ihre Vergangenheitsfixierung ist ja gemeinhin bekannt. Ich weiß wirklich nicht, was diese alten Geschichten mit uns im Heute und Jetzt zu tun haben sollten.

Danke für das Gespräch!