MALMOE

20 Jahre female:pressure

Das Netzwerk female:pressure feiert heuer sein 20-jähriges Bestehen. Die von der Wiener DJ und Produzentin Susanne Kirchmayr aka Electric Indigo gegründete Plattform leistete Pionierinnen*-Arbeit in Sachen Geschlechtergerechtigkeit und Sichtbarmachung von Frauen* in der Musikwelt.

Seit 1998 agiert female:pressure vor allem als internationale Vernetzungsplattform und Datenbank für weibliche, transgender und non-binary Künstler*innen und Vermittler*innen aus dem Bereich der elektronischen Musik und der digitalen Künste. Mit Stand Mai 2018 sind in der Datenbank über 2200 Künstler*innen aus 75 Ländern erfasst. In der Mailingliste diskutieren etwa 1000 Benutzer*innen aus der ganzen Welt, es werden Informationen ausgetauscht und Feedback gegeben. Mit der Folge, dass durch diese Vernetzung auch komplett neue Projekte und Kooperationen entstehen. Electric Indigo war und ist die treibende Kraft hinter female:pressure und erledigte über all die Jahre auch den Großteil der administrativen Arbeit. Maßgebliche Unterstützung fand sie bei Andrea Mayr, von der die Datenbank programmiert wurde.

2013 veröffentlichte female:pressure den ersten FACTS Report und erregte damit internationales Aufsehen. In diesem FACTS Report wurden die ungleichen Geschlechterverhältnisse auf Festivals, bei Labels und in Charts in konkrete Zahlen gegossen. Die systematische Vorgehensweise und die dank ihrer Anschaulichkeit leicht zu verbreitenden Grafiken, verfehlten nicht ihre Wirkung. Erstmals lagen konkrete Daten vor, über die diskutiert werden konnte und die leider bestätigten, was bis dahin nur als Vermutung im Raum stand: Der Anteil von female Acts bei den berücksichtigten Elektronik-Festivals lag bei knapp zehn Prozent.

Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten und fielen mitunter sehr heftig aus. Veranstalter fühlten sich angegriffen und reagierten überaus nervös. In international relevanten Medien für elektronische Musik wie The Wire oder Groove folgten Diskussionsbeiträge.

Die nächste große Kampagne folgte als Björk im Jänner 2015 im Online-Magazin Pitchfork feststellte, dass es an Bildern von Frauen* mangelt, die diese im Studio hinter technischen Apparaten zeigen und sie damit als die Produzent*innen ihrer eigenen Musik darstellen. Antye Greie-Ripatti a.k.a. AGF startete im Namen von female:pressure den V I S I B I L I T Y  Tumblr Blog mit Fotos, die Frauen* bei der Arbeit hinterm Mischpult, mit Synthesizern, Keyboards, Computern und anderen technischen Gerätschaften zeigte.

2017 folgte schließlich bereits der dritte FACTS Report und machte deutlich: Ja, es hilft etwas, die ungleichen Geschlechterverhältnisse zu thematisieren. Der Gender Gap ist zwar noch immer immens, doch insgesamt stieg der Anteil an female Artists bei Festivals um ein paar Prozentpunkte. Manche Mainstream-Veranstaltungen achten aber vor allem aus Image-Gründen auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis. Und gerade im subkulturellen Bereich sind zum Teil noch immer erstaunliche Defizite spürbar.

Der Erfolg von female:pressure vor allem als Netzwerk bringt allerdings auch Probleme mit sich. Die zunehmende Größe bedeutet immer mehr administrative Arbeit und erschwert die konsensuale Kommunikation. Lokal ist female:pressure in Wien momentan kaum präsent. Am ehesten noch über die Sendung auf Radio Orange, female pressure radio. Gemeinsame Veranstaltungen als female:pressure gibt es kaum, auch das Jubiläum wurde nicht eigens gefeiert. Dafür gibt es jüngere Initiativen wie Femdex (siehe Mixtape MALMOE 80), die regional begrenzter agieren und sich als Ergänzung und nicht als Konkurrenz zu female:pressure verstehen. Im männlich dominierten Hip-Hop ist die im Fluc angesiedelte Veranstaltung Femme DMC (siehe Mixtape MALMOE 74) als reine All Female* Hip-Hop Show mittlerweile schon zum Vorbild für eine ganze Reihe ähnlich ausgerichteter Veranstaltungen geworden. Aus Initiativen wie dem Girls Rock Camp sind erfolgreiche Bands wie Dives und Aivery erwachsen. Also auch außerhalb der elektronischen Musik tut sich hierzulande einiges.

Klar ist eines: Die Debatten rund um Geschlechterungleichheiten in der Musikwirtschaft sind Teil einer größeren gesellschaftlichen Auseinandersetzung rund um bröckelnde männliche Privilegien und Feminismus. Und in einem zunehmend nach rechts driftenden politischen Klima ist die Gegenwehr jener, die meinen etwas zu verlieren, noch heftiger und brutaler.

Ein guter Zeitpunkt also für eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation.

http://www.femalepressure.net
http://femalepressure.tumblr.com
https://soundcloud.com/femalepressure-orange940
http://femdex.net