MALMOE

Wie fair ist Erben?

Warum die Erbschaftssteuer keine Mehrheit findet

Dass der FPÖ-Entscheidung Erfolg beschieden war, ihre Ablehnung der Erbschaftssteuer als „unfair“ zu einem zentralen Kampagnenthema zu machen, zählt zu den schockierendsten Erkenntnissen aus dem Wahlkampf 2017 für die wirtschaftspolitische Debatte in Österreich.

Wieso sind so viele Wählende gegen angeblich unverdiente Sozialleistungen zu mobilisieren, während sie – gemäß diesem Kriterium ebenso unverdientes – geerbtes Vermögen unangetastet lassen wollen? Eine Ohrfeige für die Forderung nach Einführung einer Erbschaftssteuer. Diese Forderung versuchte an das Eigeninteresse jener zu appellieren, die kein oder nur ein geringes Erbe zu erwarten haben. Neben Missverständnissen unter Klein-ErbInnen über die eigene Betroffenheit durch eine Erbschaftssteuer mag diese Argumentation an falschen Annahmen über die Wertvorstellungen gescheitert sein, die das Wahlvolk bewegen.

In allen Vorschlägen für eine Erbschaftssteuer sind großzügige Freibeträge enthalten, die die große Bevölkerungsmehrheit steuerfrei lassen. Die Information, dass die eigene Erbmasse unter eine Steuer-Freibetragsgrenze fällt, mag eine Entwarnung für Steuerängste sein und könnte zur Mobilisierung von breiter Unterstützung beitragen. Sie kann aber auch von Betroffenen als Demütigung empfunden werden. In einer Gesellschaft, in der Vermögensakkumulation zentraler Indikator gesellschaftlichen Erfolgs ist, entspricht das einer Auskunft über geringen sozialen Rang. Statt politischer Unterstützung für die Besteuerung einer reichen Minderheit kann dadurch paradoxerweise die Mobilisierung psychischer Abwehrmechanismen innerhalb der Mehrheit überwiegen.

Die Forderung nach Erbschaftssteuer-finanzierter Umverteilung appelliert an ein individuelles wirtschaftliches Eigeninteresse der Nicht- und Wenig-ErbInnen. Dass das nicht verfing, mag daran liegen, dass das möglicherweise nicht dem Selbstbild der angesprochenen Menschen entspricht, die sich lieber als Teil einer anders definierten moralischen Gemeinschaft verstehen wollen. Gegenüber der Einladung der Rechtsparteien, sich als Teil einer nationalen Idee von Gemeinschaft im gleichen Boot wie die heimischen Reichen zu fühlen, konnte die Einladung der Pro-Erbschaftssteuer-Parteien, sich per Erbschaftssteuer-finanzierter Umverteilung einen Teil des Kuchens anzueignen, als schnödes egoistisches Kalkül abgewertet werden.

Der mangelnde Enthusiasmus für Erbschaftsbesteuerung mag auch daran liegen, dass für viele Nicht- und Wenig-ErbInnen ihr Eigeninteresse an einer Erbschaftssteuer nicht deutlich erkennbar ist. Pro-Erbschaftssteuer-Kampagnen gehen implizit davon aus, dass das erzielte Steueraufkommen zur Umverteilung hin zu Nicht- bzw. Gering-ErbInnen verwendet wird.

Das ist erstens ein voraussetzungsvoller Gedankenschritt, der nicht automatisch vom Publikum nachvollzogen wird. Zweitens kann er in einem neoliberal geprägten Debatten-Umfeld auf Zweifel stoßen, in dem der Staat als selbstsüchtiger, verschwenderischer Geldschlucker und Beute von Abzockern gilt.

Der Versuch, Leistungsbezug als Sozialmissbrauch zwecks Delegitimierung des Sozialstaats zu skandalisieren, hat eine lange Tradition. Wenn dieser Missbrauch Nicht-Einheimischen zugeschrieben wird, scheint eine solche Skandalisierung besonders erfolgreich zu sein. Der jüngste Wahlkampf, der vom Thema Zuwanderung und Sozialmissbrauch geprägt wurde, zeigt das deutlich. Der heimische Wohlfahrtsstaat wird im rechten Denken als Beute von Neuankömmlingen skandalisiert, die sich in der imaginären Warteschlange für Sozialleistungen an jenen Einheimischen vorbeimogeln, die ihn entbehrungsreich aufgebaut haben. In dieser Denkfigur ist die Erbschaftssteuer (so wie jede andere neue Steuer) „unfair“, weil sie unverdiente Sozialleistungen finanziert. Die mangelhafte internationale Dimension wohlfahrtsstaatlicher Arrangements in einem Umfeld internationalisierter Arbeitsmärkte begünstigt diesen Ansatz.

Steuern sind nie beliebt und vielleicht ist die Vorstellung, man könne große Unterstützung für eine Steuer mobilisieren, überhaupt aussichtslos, sei das Besteuerungsobjekt auch noch so verwerflich und die Betroffenheit noch so gering. Die Desavouierung der Erbschaftssteuer gelang im Wahlkampf vermutlich auch auf Basis der Desavouierung ihres vermeintlichen Verwendungszwecks. Die Steuerdebatte ist mit größeren Themen verknüpft, was jegliche Steuerinitiative in der öffentlichen Debatte mitbedenken und adressieren muss. Künftige Kampagnen zu ihrer Einführung müssen wohl stärker ein zugkräftiges Projekt für Staatsausgaben in den Vordergrund stellen, das dann die Finanzierung per Erbschaftssteuer einfach als Notwendigkeit im Gepäck mittransportiert.