MALMOE

Fragen an den Ballhausplatz

Der Ballhausplatz in Wien steht immer wieder im Zentrum politischer Ereignisse und Auseinandersetzungen. Als Kulisse und Komparse historischer Entwicklungen befragen wir ihn zu seinen bisherigen Erlebnissen und Wünschen für die Zukunft. Ein Gespräch mit dem Platz, der vorab gebeten hat, von Fragen zu Pollern und Mauern abzusehen.

Mein lieber Ballhausplatz, Sie haben ja so einiges kommen und gehen sehen in Ihrem bewegten Leben, aber beantworten Sie mir doch vorerst einmal die Frage: Welcher Ball?

Ja, zuerst einmal möchte ich vorausschicken, dass ich mich außerordentlich über diese Gelegenheit freue, Ihnen ein paar Eckpunkte aus meiner außergewöhnlichen und hochgradig interessanten Geschichte erzählen zu können. Meine Geschichte beginnt gewissermaßen schon im 16. Jahrhundert, als ganz in der Nähe des heutigen Ballhausplatzes ein Haus zum Ballspielen errichtet wurde. Natürlich nur für einen sehr erlesenen, adeligen Kreis. Die Bezeichnung Ballhausplatz hat sich dann so nach und nach eingebürgert. Offiziell wurde ich aber erst 1906, als auch das unter Maria Theresia gebaute Nachfolgeballhaus schon gar nicht mehr stand, Ballhausplatz genannt.

Verstehe, also tatsächlich der runde Ball und nicht etwa der Ball als gesellschaftliche Veranstaltung. Wenn Sie so zurückdenken an die letzten hundert Jahre, was waren da aus Ihrer Sicht die bemerkenswertesten Ereignisse?

Lassen Sie mich überlegen… Also einmal sicherlich die Nazis, die 1934 im Bundeskanzleramt den Engelbert Dollfuss ermordet haben. Also man muss sich das so vorstellen: die einen, damals verbotenen, Faschisten bringen den anderen, damals regierenden, Faschisten um, der zuvor noch dachte, er könne mit ihnen gegen die Linken wieder ins Gespräch kommen, um ihrerseits einen neuen Bundeskanzler, nämlich den Anton Rintelen hochzuputschen, der wiederum eigentlich ein Funktionär der Christlich-Sozialen Partei war. Den Platz vor lauter Faschos nicht mehr sehen, so lässt sich das beschreiben.

Den Platz nicht mehr gesehen hat man auch bei verschiedenen Großereignissen…

Ja, das stimmt, zum Beispiel beim Konzert von der Conchita Wurst 2014 oder als 1972 der Karl Schranz nach seinem Ausschluss bei den Olympischen Winterspielen nach Wien gekommen ist und vom Balkon des Bundeskanzleramtes heruntergewunken hat. Mir persönlich ist ja die Wurst wesentlich lieber als dieses ganze patriotische Schifahr-Getue, aber bitte.

Nicht so voll war es übrigens 2014 bei der Eröffnung des Denkmals für die Opfer der NS-Militärjustiz oder, wie ich sage: Deserteursdenkmal. Und ein bisschen komisch fühlt es sich jedes Jahr am 26. Oktober an, aus meiner Sicht vom Denkmal, in dem es ja um Wehrdienstverweigerung geht, auf die „Leistungsschau“ des Bundesheeres am Heldenplatz hinüberzuschauen. Aber hin und wieder schauen auch welche von drüben zu mir herüber.

Ihre Gedanken zum 4. Februar 2000?

Ja, dazu wollte ich eh noch etwas sagen. Bei dieser Angelobung der ersten Regierung aus ÖVP und FPÖ gab es ja verständlicherweise große Proteste. Und an diesem Tag sind so viele Leute gekommen, dass die Regierungsmitglieder nicht über mich gehen konnten, sondern unterirdisch gehen mussten. Also für mich persönlich war es jetzt auch nicht so angenehm, so diese Gestalten durch mein Innerstes hindurch, aber es hat mich schon sehr gefreut, dass zu so einem Anlass so viele Menschen kommen. Das wär wieder einmal schön, so viele demonstrierende Leute …

Damit sind wir auch schon bei der letzten Frage und bei den Zukunftsvorstellungen. Wenn Sie sich etwas wünschen dürften für die nächsten hundert Jahre, was wäre das?

Das ist ganz leicht: Ballspiele statt Nazis.

Wir danken für das Gespräch.