Neue geheimnisvolle Fälle von Inspektor Zwezler und seinem Partner Moik
Der Herr Inspektor war an jenem Tag besonders nervös. Schon zum dritten Mal stampfte er vor bis zur Stelle, an der die Ringstraße sich so richtig in die Kurve legt, um dann mit dem Parlament im Rücken dem Heldenplatz entgegenzueilen. Aber auch hier sah er nur das Übliche: Ein paar versprengte Touristen, ein Fiaker mit traurig gebeugtem Pferd und Grundwehrdiener, die gierig an ihrem Bier nach dem Nationalfeiertag saugten. Er ging noch schnell um die Ecke, zählte geduldig bis fünf und machte genau so viele Schritte, drehte sich um und bewegte sich ganz dicht am inneren Ringzaun in Richtung Parlament. Ganz unauffällig blieb er vor einem Touristen stehen, der gerade in seinem Bauchtäschchen wühlte.
Der Zwezler schien ein Selbstgespräch zu führen: „Ein einzelner Grüner …“
„… macht noch lang keinen Frühling“, murmelte nun der Tourist und der Inspektor pfiff anerkennend durch die Zähne. „Moik, Spitzentarnung, mit dieser Jacke hätte ich Sie nie erkannt.“ „Herr Inspektor, das ist sogar ein Windbreaker. Wie sieht’s um die Ecke aus? Vorhin bei der Einsatzbesprechung hatten Sie ja auch das militärische Gerät am Heldenplatz oder gar das improvisierte Containerparlament als strategische Ziele ausgemacht.“
„Moik, irgendetwas stimmt hier nicht. Folgen Sie mir bis zur nächsten Straßenbahnstation, ich zeige Ihnen etwas auf dem kleinen Umgebungsplan, der dort hängt. Sie tun dann so, als hätte ich Ihnen den Weg zur Universität, nein, noch besser, zum Rathaus erklärt. Beobachten Sie möglichst unauffällig das Geschehen vor dem Parlament, da muss sich was zusammenrotten.“ Der Moik zog seine Stirn in tiefe Falten, Zwezlers Anspannung sprang schon seit einiger Zeit auf ihn über.
Ganz genau vor 3 Stunden war Zwezler in die Gemeinschaftsküche im Kommissariat gestürmt und sofort war allen, sogar dem Kollegen vom Rechtsextremismus, der eigentlich nur ein bisschen Kaffeeweißer ausborgen wollte, klar, dass Feuer am Dach war. „Meine Herren, mir war schon lange klar, dass es mit dem Abschalten von diesem indy …“, und er schnippte in Richtung Moik, der auch prompt „… media“ assistierte, „… so wie mit der Hydra ist.“ Er ließ dieses Bild sickern und erst als die Kollegin von der Cyberabwehr aufhörte, in ihrem Müsli zu rühren, setzte er fort: „SIE sind zurück, obwohl SIE ja nie weg waren. Ich lese Ihnen das Kassiber vor: Donnerstagsdemo, 19 Uhr vor dem Parlament. Und das am Nationalfeiertag!“ Der Kollege vom Rechtsextremismus durchbrach als erster die peinliche Stille, die sich in der Runde breit gemacht hatte: „Herr Inspektor, bei den sogenannten Rechtsextremen gab‘s ja schon lang kein Comeback mehr. Totenstille. Wer ist jetzt bei Ihnen zurück?“
„Die Grünen!! Bin ich denn der einzige, der diese gefährliche Schieflage, diese Demokratiegefährdung, diese ungeheuerliche Machtfülle erkannt hat?“
Als er in lauter ratlose Gesichter blickte und sogar der Archiv-Herbert entschuldigend mit den Schultern zuckte, seufzte der Inspektor kurz und setzte fort, während er zwischen Kühlschrank und Herdplatte hin und her marschierte: „Das war alles von langer Hand geplant. Zuerst der Präse, über die kriminelle Energie dieser Wahl muss ich hier wohl kein Wort verlieren. Dann die ,Spaltung‘ …“, und der Inspektor formte hektisch Gänsefüßchen, „… der Grünen, die einzig und alleine das Ziel verfolgte …“, in der nun entstandenen Ruhe hätte man sogar Staubzucker fallen hören können, „… neben einer Oppositionspartei die größte außerparlamentarische Opposition aller Zeiten zu installieren.“
„Was für eine Punktlandung, also die Rechten haben so was noch nie geschafft“, versetzte der Kollege vom Rechtsextremismus anerkennend.
„3,8 Prozent, diese Schlawiner!“, fiel es dem Moik wie Schuppen von den Augen. „Die Liste ohne Pilz als politischer Arm einer wilden Horde Grüner, die quasi im Untergrund …“ – „Untergrund und Dachterrasse“, ergänzte der Inspektor – „… also mit der klassischen Zangenbewegung wollen sie die Kurz-Strache-Nuss knacken.“ Der Moik musste sich kurz hinsetzen und durchschnaufen.
Dann brummte er: „Zeig’ es ihnen Herbert.“ Etwas widerwillig stand Archiv-Herbert auf, die Blicke waren voll auf ihn fokussiert, er krempelte den Ärmel hoch und zeigte auf eine Stelle auf seinem Unterarm: „Hier saß sie.“ Herberts Stimme brach ab, er kämpfte mit den Tränen.
Der Inspektor sprang sofort erklärend ein: „Hainburger Au 1984. Wir waren noch jung. Noch nicht lange bei der Polizei und richtige Draufgänger. Wir verfolgten gerade eine Gruppe dieser Langhaarigen mit unseren Schlagstöcken. Sie lockten uns immer tiefer in den Wald und plötzlich bemerkten wir, dass wir uns verlaufen hatten. Stundenlang irrten wir herum und dann …“, der Herbert hatte sich wieder erholt und gab einen Wink, dass er fortsetzen wollte: „… und ich musste dann mal. Ihr versteht schon. Groß. Ich hockelte mich in ein Gebüsch, davon gab es ja genug und als ich fertig war, da saß auf dem Unterarm diese Zecke.“ Erneut überkam den Herbert ein Gefühlsschwall, der ihn am Weitererzählen hinderte.
„Er hatte sich eine Zecke eingefangen wegen dieser Terrorökos. Zum Glück war hinter dem Gebüsch gleich eine Forststraße und ein paar Meter weiter stand unser Mannschaftsbus und der Einsatzleiter entfernte mit der Taschenmesserpinzette vorsichtig den Zecken und es war nichts weiter passiert. Aber trotzdem. So etwas wie Hainburg darf sich nicht mehr wiederholen. Und deshalb ist es unsere Pflicht, diese Nüsse zu schützen, selbst wenn sie hohl sind!“ Zufrieden mit diesem dramatischen und erhebenden Finale stand der Inspektor breitbeinig mit verschränkten Armen da und erntete zustimmendes Nicken, während der Archiv-Herbert seinen Hemdsärmel wieder nach unten schob und zuknöpfte.
Jetzt deutete Zwezler äußerst theatralisch auf den kleinen Stadtplan und Moik nickte dankend. Moik machte das so geschickt, dass er jedes Mal einen Blick auf den Parlamentsvorplatz werfen konnte. „Moik, warum höre ich keine Trommeln? Auf wie viele kriminelle Elemente ist der Mob angewachsen?“
„Maximal zwölf. Moment, Korrektur: Die vier da sind ja von der Observation, mit denen bin ich vorhin hierher aufgebrochen. Also circa acht.“
„Acht Personen!? Das riecht verdammt nochmal nach einem Hinterhalt.“
„Sollen wir sie festnehmen lassen?“
„Nein, nein. Das würde zu viel Aufmerksamkeit erregen. Wir ziehen uns zurück zum Würstelstand und beobachten die Situation bei einer Eitrigen und einem Spritzer. So wie ich die Grünen kenne, haben sie sich in ihre Bioläden zurückgezogen und werden von dort aus versuchen, diese Regierung zu stürzen.“