MALMOE

Auftakt in Schwarz-Blau

In Oberösterreich führt das Sparpaket im Sozial- und Kulturbereich zu Protesten in der Kulturszene. Ein Szenario auch für den Bund?

Seit ein paar Tagen ist es nun fix. Trotz massiver Kritik hält Schwarz-Blau in Oberösterreich an ihrem Vorhaben fest, dem Fetisch Nulldefizit ein Opfer zu bringen. Im Finanzausschuss des Linzer Landtages wurde mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ das Landesbudget 2018 abgesegnet. SPÖ und Grüne stimmten dagegen.

Der Plan

Ingesamt sollen 150 Millionen Euro eingespart werden und das vor allem über einer Senkung der sogenannten Ermessensausgaben in allen Ressorts um etwa 10 Prozent. Der Begriff Ermessensausgaben ist eine für das Regieren hierzulande typische Nebelgranate. Dieser Budgetposten ist nicht etwa – je nach Ermessen – frei verfügbar, nein, er bezeichnet nur jenen Teil der Ausgaben, denen keine rechtliche Verpflichtung – also in der Regel Verträge und Gesetze – zugrunde liegt. Neben Zahlungen an Externe (z. B. ausgelagerte Putzdienste) fallen auch die Kulturförderungen darunter. Im Gegensatz zur Gebäudereinigung kann bei letzteren natürlich leichter gekürzt werden.

Wie immer ist die Rede vom „Sparefroh“ ein Versuch, von der Umverteilung von unten nach oben abzulenken. Es sollen sogar neue Einnahmen generiert werden. Besonders hart für Alleinerziehende: Künftig ist die Nachmittagsbetreuung in den Kindergärten Oberösterreichs wieder kostenpflichtig. Und während anderswo gespart wird, bekommt die Wirtschaft sogar mehr Geld. Von Infrastrukturmaßnahmen wie der geplanten Breitbandoffensive (100 Millionen Euro in den nächsten 5 Jahren) profitieren vor allem private Industrie-und Gewerbebetriebe.

Für die vielfältige oberösterreichische Kulturszene mit ihren zahlreichen unabhängigen Initiativen wird nun ein Problem massiv sichtbar: Wer nicht in größeren Häusern agiert, die fixe Verträge mit dem Land haben, muss jährlich um seine Förderungen bangen. Längerfristige Planung war für private Kulturvereine unter diesen Umständen schon immer grundsätzlich schwierig, ab 2018 weiß niemand, ob und wie viel Geld vom Land Oberösterreich noch kommen wird. Die dafür zuständige Stelle kündigt an, das von Fall zu Fall prüfen. Generell droht der Rasenmäher: Alle bekommen weniger. Dabei decken Förderungen meist nur einen geringen Teil der Ausgaben ab, sind aber für den alltäglichen Betrieb essenziell und oft auch die Grundlage für eine etwaige Bundesförderung.

In konkrete Zahlen ist bisher Folgendes bekannt: Laut KUPF (Kulturplattform Oberösterreich) betrug das Kulturbudget 2017 noch 194 Millionen Euro. 177 Millionen, also der größte Brocken, wurden für die öffentlichen Einrichtungen aufgewendet (Theater, Museen, Bibliotheken und auch Musikschulen). Die restlichen 17 Millionen – also nicht einmal 9 % des Budgets – gingen an private Vereine und Gemeinden. Nicht nur zeitgenössische Kunst, sondern auch die Volkskultur und Blasmusikkapellen werden aus diesem Topf finanziert. Für 2018 ist geplant, bei öffentlichen Einrichtungen mit fixen Verträgen um 0,9 % einzusparen, bei den privaten Trägern, die Fördergelder aus dem Topf Ermessensaugaben erhalten, allerdings um 30 %! Für viele Vereine heißt es somit, ganz aufhören oder Aktivitäten stark einschränken.

Dieser aktuelle Sparkurs in Oberösterreich ist zwar in seiner Quantität einmalig, die KUPF verweist jedoch auf einen längeren Trend: Seit 2001 hat sich der Wert der Förderungen für zeitgenössische Kunst & Kultur in Oberösterreich inflationsbereinigt um 68 % vermindert.

Der Widerstand

In der regen und gut organisierten Kulturszene des Landes formierte sich schon früh Widerstand gegen die Kürzungen. Die KUPF und deren Mitgliedsvereine initiierten unter dem Wahlspruch Kulturland retten! eine Kampagne. Via Onlinepetition wurden bis Redaktionsschluss der MALMOE (4.12.2017) mehr als 16.000 Unterschriften gesammelt. Auf der Petitions-Webseite finden sich neben generellen Infos zahlreiche Statements von Kunst- und Kulturschaffenden. Mit einigen, wie Josef Hader oder Texta, wurden sogar Kinospots produziert. Die Aktivist_innen organisierten Kundgebungen, Podiumsdiskussionen und eine breite Medienarbeit. Alteingesessene Stätten der Subkultur wie die Kapu in Linz oder das Röda in Steyr meldeten sich zu Wort. Aber auch der Bibliothekenverband, die Bauernkapellen oder Hermann Schneider, der Intendant des Landestheaters Linz. So ist es gelungen, eine breite Koalition zu schmieden.

Auf Social-Media-Plattformen wurden intensive Debatten geführt, aber auch klassische Medien berichteten eifrig, und zwar durchaus im Sinne der Aktivist_innen. Vom Lokalblatt über die großen bundesweit erscheinenden Tageszeitungen und Wochenmagazine sahen sich alle zur Berichterstattung ermuntert. Sogar das elitäre ORF-Sendungsformat kulturMontag sendete einen Beitrag. Ingesamt gilt die Kampagne Kulturland retten! schon jetzt als Lehrbeispiel, wie ein durchaus schwieriges Thema – Finanzen sind schließlich für viele ein Buch mit sieben Siegeln – breitenwirksam aufbereitet wird.

Zwischen ÖVP und FPÖ passt kein Blatt

Eines macht richtig stutzig. Jene Maßnahmen, die zu einer breiten negativen Berichterstattung führten, werden nur mit der ÖVP in Verbindung gebracht, obwohl diese gerade der FPÖ nützen. Diese hat großes Interesse daran, ihren heftigsten Kritiker_innen – und die finden sich nun mal in den unabhängigen Kulturvereinen – das Leben schwer zu machen. Die in ruralen Gegenden tief verankerte ÖVP gibt immer vor, sich um das Anliegen der dort Ansässigen sorgen. Jene Gebiete abseits der großen Ballungszentren werden aber am meisten unter dem Sparpaket leiden. Die Lebensqualität wird abnehmen und die Menschen werden das ländliche Gebiet verlassen.

Wie könnte nun schwarz-blaue Kulturpolitik im Bund aussehen? Konkrete Pläne von Schwarz-Blau in Sachen Kunst und Kultur wurden bisher nicht bekannt. Alle Aussagen blieben hier ziemlich vage. Das Kurz-Programm schwafelt von der „Kulturnation Österreich“ und will das „Schubladendenken zwischen Volks- und Hochkultur überwinden“ (Popkultur existiert hier nicht) und ein „Leitbild für Kunst und Kultur in Österreich“ entwickeln. Die FPÖ bleibt in ihrer Rede über Kultur in der Regel immer diffus national volkstümelnd.

Manchmal hilft ein Blick auf das Personal, um Klarheit zu gewinnen. Thomas-Bernhard-Beschimpfer Strache nominierte für die Koalitionsverhandlungen in der Fachgruppe Kunst und Kultur den erzkonservativen National-Katholiken Walter Rosenkranz (Gatte von Barbara Rosenkranz) und Claudio Eustacchio, der in Kulturpolitik wenig erfahrene Kunsterzieher und Bruder des Grazer Vizebürgermeisters Mario Eustacchio. Seine Berufung in diverse Aufsichtsräte von Grazer Kultureinrichtungen sorgte im Frühsommer schon für einige Aufregung. Mangelnde Qualifikation und reine Vetternwirtschaft lauteten die Vorwürfe. Als ÖVP-Expertin sitzt u. a. Agnes Husslein bei den Koalitionsverhandlungen in der Fachgruppe Kunst und Kultur. Die ehemalige Belvedere-Chefin wurde unter peinlichen Umständen (Verstöße gegen die Compliance Regeln) aus ihrem alten Job geschasst. Sie gilt als High-Society-Lady mit Hang zu problematischer Personalpolitik und ist gut vernetzt in der globalen Galerieszene. Und sie ist aussichtsreiche Kandidatin für ein etwaig neu zu schaffendes Kulturministerium.

Wer auch immer die Agenden von Kunst und Kultur übernehmen wird (vielleicht bleiben diese ja auch im Bundeskanzleramt bei Sebastian Kurz), mit einem bundesweiten Sparpaket muss fest gerechnet werden. Die künftige Regierung wird sich also genau anschauen, wie das in Oberösterreich durchgezogen wird. Der Widerstand dagegen kann sich allerdings auch von Kulturland retten! inspirieren lassen. Diese Kampagne zeigt auf vielen Ebenen, wie es gehen könnte. Breitenwirksam aber nicht populistisch. Klare Kante aber nicht hetzerisch, sondern immer bei der Sache. Aber hier völlig unnachgiebig. Und sich nicht auseinanderdividieren lassen. Die Häuser der hohen Kultur sind zwar weniger von den Kürzungen betroffen, trotzdem gelang es, diese an Bord zu holen und sich nicht im Ressentiment gegen deren Bevorzugung zu verrennen. Ein erster Erfolg konnte noch kurz vor Redaktionsschluss trotzdem vermeldet werden. Am Montag 4.12. nahm Landeshauptmann Stelzer auf Drängen der KUPF an einem runden Tisch Platz. Bei der parallel stattfindenden Demo in Linz haben sich etwa 1500 Personen eingefunden. Stelzer wollte zwar nichts mehr am Budget für nächstes Jahr ändern, aber es wurden Folgegespräche bei einem zweiten runden Tisch über das Jahr 2019 anberaumt. Es geht also weiter. Allen ist klar: Es wird sich jetzt nicht gleich etwas ändern, aber das ist der Auftakt für eine längere ganz grundsätzliche Auseinandersetzung um eine offene Gesellschaft.

Mehr zum Thema in der KUPF-Zeitung 164/2017

kulturlandretten.at