aktionstheater Ensemble: „Ich glaube“, Grabenkämpfe.
Wenn ich schon ein abgespieltes Stück bespreche, dann kann ich mich gleich unvermittelt mit dem Theater, das ich liebe und das ich trotz dessen immer noch besuche, auseinandersetzen. Für diese Form von Theater bietet „Ich glaube“ die passende Schablone, weshalb ich an dieser Stelle das aktionstheater Ensemble um Verzeihung bitte, es als solche und nur als solche im folgenden Text auch zu gebrauchen.
Ein Graben ist im Werk X nicht existent. Aber auch über die Nicht-Existenz eines Grabens kann geschrieben werden, muss sogar geschrieben werden, und zwar genau dann, wenn einem diese Distanz fehlt. Distanz, das ist nicht der Plastiküberzug über der Couch, diese durchsichtige Folie, mit der meine Oma ihre gesamte Polstermöbelgarnitur verpackt. Und den mit Häkeldeckchen bedeckten Beistelltisch natürlich auch, Folie drüber. Häkeldeckchen und Beistelltisch fehlen übrigens in dem Bühnenbild, das der Bühne viel Raum lässt ganz sie selbst zu sein, vielleicht mit einem Hauch mehr Christian Bale und einer Spur mehr Axt, als Großmutters Häkeldeckchen vertragen, schlussendlich allerdings hauptsächlich Bühne. Und in dieser Eigenschaft setzt sie sich über den Graben hinweg, reicht bis unter‘s Kinn, wie eine dicke Daunenbettdecke am Wintermorgen. So eingemummelt träumt einem schon einmal von der großen weiten Welt. René Pollesch hat einmal gesagt, dass man sich das Drama jetzt selbst besorgen müsse. Es sei ja allerorten abgeschafft.
Auf der Bühne steht eine Türkin, eine polnisch sprechende und eine ältere Frau, ein Typ auf Ritalin und einer in Unterhose, und dann stehen da noch zwei an der Wand und machen Musik. Sie glauben an die Liebe, anal bleaching und die heilige katholische Kirche. Ein anderer Satz von Pollesch, der sich unweigerlich aufdrängt in diesem Wortgewitter: „Jeder macht ununterbrochen den Mund auf und erzählt dir, wer er wirklich ist. Aber ich seh’ doch, wer er wirklich ist.“ Ich sehe doch die Muslima, die Blut aus ihrer fetten Wasserspritzpistole ballert und dann, in die Lippen einer anderen Schauspielerin verbissen, über den Boden rollt. Und die Knopfdruck-Musiker in ihren hautengen Unterleibchen und den Blue Jeans, die über den schwarzen Lederhalbschuhen hochgekrempelt sind. Den Blondschopf mit den Engelsflügeln, dem Hundeblick, dem Schmollmund – rundherum ein süßer Fratz in Boxershorts, den ich gegen nichts in der Welt eintauschen würde.
Und dann fällt der Vorhang, ich höre die gleichen Sätze beim Bier am Theatertresen und jetzt baller‘ ich mit meiner Blut-Bazooka, denn es wäre angesichts der herrschenden Verhältnisse absurd so etwas nicht zu tun. Im Namen des „Zigeuners“ und der Zeugen Jehovas und der heiligen GIS. Amen.