Ein neues Buch beleuchtet die Politik von AfD und FPÖ
Bei Redaktionsschluss dieser MALMOE-Ausgabe waren weder die Bundestagswahl in Deutschland noch die Nationalratswahl in Österreich geschlagen. Dennoch war vorhersehbar, dass in beiden Fällen die Parteien des rechten Randes diesen abermals ein Stück Richtung Mitte verbreitern würden. Wer dieses Wahlverhalten der Besorgten und Verängstigten schönreden wollte, tat dies wie immer im Angesicht von reichlich Anschauungsmaterial, wo diese Parteien ideologisch verortet sind, ohne viel Hehl daraus zu machen. Zuletzt forderte etwa Alexander Gauland wörtlich einen „Schlussstrich“ unter der Nazi-Vergangenheit: Der Spitzenkandidat der „Alternative für Deutschland“ bestand auf dem „Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“. Wer es abgesehen vom Offensichtlichen etwas genauer wissen will, bekommt nun einen Sammelband an die Hand, der Politik und Ideologie von AfD und FPÖ vor dem Hintergrund der Asyl-, Flüchtlings- und Islamdebatte in Deutschland und Österreich eingehend beleuchtet.
Samuel Salzborn verdeutlicht darin, dass solche Meldungen viel zu oft aus der AfD zu hören sind, als dass von Einzelfällen gesprochen werden könnte; dies gelte auch und gerade für ihren Antisemitismus, auch wenn diese Äußerung deutscher Schuldabwehr sich zunehmend – aber nicht ausschließlich – über einen „kommunikativen Umweg“ gegen Migrant/innen richtet. Die Besonderheit der AfD bestehe darin, dass sie zwar „das gesamte antiaufklärerische Ressentiment in sich vereinigt“ und offen rechtsextreme Positionen vertritt – dabei aber partout nicht als rechtsextrem bezeichnet werden will. Das ist ein Element ihres Zuspruchs, denn auch die „besorgten Rassist(inn)en“, die sie wählen, weisen das von sich. Somit ist die AfD nur bedingt mit anderen rechten oder „populistischen“ Parteien in Europa zu vergleichen – am ehesten noch mit der FPÖ, deren Rolle als „Vorbild“ Stephan Grigat in seinem einführenden Text herausarbeitet. Dass es sich bei ihr um eine rechtsextreme – und nicht ‚nur‘ um eine „rechtspopulistische“ – Partei handelt, argumentiert Heribert Schiedel gewohnt souverän in seinem Beitrag, in dem er Rassismus und Antisemitismus als „integralen Bestandteil des autoritären Syndroms“ analysiert und aufzeigt, welche Funktion der zunehmend indirekt und in Codes sich äußernde Antisemitismus in der völkischen Ideologie der FPÖ hat, der von der aktuellen antimuslimischen Agitation gewiss nicht verdrängt wird: vielmehr setze diese sich „gewissermaßen auf ihn drauf“. Die Verschränkung ideologischer Elemente ist auch Thema bei Karin Stögner, die in einem lesenswerten ‚close reading‘ des Handbuchs freiheitlicher Politik die „spezifische Vertretungsfunktion“ aufzeigt, „die Nationalismus und Antifeminismus heute für einen nicht mehr offen geäußerten Antisemitismus übernehmen können“.
Auf sieben solche Studien folgen zwei Beiträge, die sich abschließend um verbindende „Perspektiven der Kritik“ an FPÖ und AfD bemühen. Wenig zu holen ist hier erwartungsgemäß in den Augen von Gerhard Scheit bei der Mainstream-Linken, die meint, sich den Objekten antimuslimischer Agitation unkritisch anbiedern zu müssen und dabei offenbar nichts dagegen einzuwenden hat, „dass in den maßgeblichen Strömungen des Islam die Aufklärung fehlt“, wodurch sie „auch im Inneren mit dem Tabu des Antisemitismus“ bricht. Was allerdings analytisch dabei gewonnen sein soll, Rechtsextreme und ihren neonazistischen Dunstkreis im Vergleich zu den fraglos scharf zu kritisierenden linken Verharmlosern des Djihad als „das kleinere Übel“ zu bezeichnen, wie Scheit das tut, sei dahingestellt. Innovativ und lehrreich ist hingegen Franziska Krahs Gegenüberstellung kritischer Antisemitismusforschung in der Weimarer Republik und aktueller Strategien gegen den Antisemitismus, deren Probleme sie beleuchtet. Sie stoßen etwa dort an ihre Grenzen, wo man dem Ressentiment mit Argumenten beikommen zu können glaubt oder vordergründig begrüßenswerte politische und juristische Maßnahmen „nur den NS-Antisemitismus im Blick haben und heutige Formen nicht erkannt werden“. So sei ein kritisches Verständnis von Antisemitismus wesentliche Voraussetzung für seine Bekämpfung – auch und gerade „von heute virulenten Formen“. Selbst wenn das Buch diesbezüglich nur eine „Momentaufnahme“ sein kann, wie der Herausgeber betont, leistet es hierfür einen wertvollen Beitrag.
Stephan Grigat (Hg.): AfD & FPÖ. Antisemitismus, völkischer Nationalismus und Geschlechterbilder, Nomos, Baden-Baden 2017