.… Geh mit den Kommunisten! 1Schon 1959 war dieser Spruch auf einem Wahlplakat der Kommunistischen Partei Österreichs zu lesen – lange vor Schulz und Kurz bemühte sich die KPÖ also um die Zeit. Die Kommunistische Partei Österreichs geht heuer als KPÖ PLUS in den Wahlkampf. Ein Bericht über die drittälteste kommunistische Partei der Welt, wie sie funktioniert und was sie will.
Eigentlich hätte es laut Wetterbericht mal wieder die ganze Zeit regnen sollen. Wie jedes Jahr am letzten Wochenende vor Schulbeginn, jenem Wochenende, an dem traditionell das Volksstimmefest der KPÖ auf der Jesuitenwiese im Wiener Prater stattfindet. „Gott is eben ka Kommunist“, sagt eine Besucherin ob des nicht immer rosigen Wetters. Heuer war es am ersten Tag zwar herbstlich kühl, aber immerhin trocken. Doch nicht nur aufgrund der Wetterlage war das linke Wiener Traditionsfest 2017 ein bisschen anders, schließlich ist Wahlkampf und die KPÖ mittendrin. In einem Bündnis mit den Jungen Grünen und unabhängigen Aktivist_innen kandidiert man österreichweit als KPÖ PLUS (KPÖ+) bei den Nationalratswahlen. Das Volksstimmefest war der inoffizielle Auftakt zum Wahlkampf, offiziell startete man diesen am 15. September im Karl Marx Hof in Wien-Heiligenstadt.
Immer anders
Schon seit längerem verfolgt die KPÖ die Strategie, bei Wahlen als Bündnis anzutreten. Bei den Wahlen zum Europaparlament 2014 trat man unter dem Namen Europa Anders gemeinsam mit der Piratenpartei, dem Wandel, einzelnen Unabhängigen und dem umstrittenen Spitzenkandidaten Martin Ehrenhauser, dessen Vergangenheit als Büroleiter des populistischen „Aufdeckers“ Hans-Peter Martin nicht alle vergessen wollten, an. Auf besseren politischen und aktivistischen Füßen stand dann Wien Anders, die Allianz die für die Wiener Gemeinderatswahl 2015 ins Leben gerufen wurde und die bis heute aktiv ist. Mit dem medial viel besprochenen Ausschluss der Jungen Grünen aus der Grünen Eltern-Partei hat sich nun ein Bündnis ergeben, das „eine neue Qualität“ hat, wie es Heidi Ambrosch, Frauensprecherin der KPÖ, formuliert. Man diskutiert offen und das Bündnis habe „Strahlkraft“, neue Leute werden im Wahlkampf aktiv, alte Genossinnen sind motiviert, sich wieder vermehrt einzubringen. „Es ist quirlig und manche sagen, so viel los war noch nie“. Und das zeigt sich auch auf der Straße, zumindest in Wien: So präsent und sichtbar mit Wahlplakaten und Kampagnenmaterial war die KPÖ lange nicht mehr.
Bündnisse sind Auseinandersetzung
Parteienbündnisse als Rettung gegen die politische Bedeutungslosigkeit? Nein, meint Ambrosch. „Es braucht eine starke linke Kraft, eine wirkliche linke Opposition, die es im Moment einfach nicht gibt im Parlament. Und dazu brauchen wir BündnispartnerInnen.“ Es geht also darum, ein linkes Sammelbecken zu sein und verschiedene Kräfte unter einem Dach zu vereinen. „So wie auch die Linke in Deutschland entstanden ist, oder Syriza. Und wenn jetzt Teile der Sozialdemokratie sagen würden, es reicht uns, wir wollen zurück zu sozialistischen Werten, dann wäre ein linkes Bündnis mit denen eine nochmal andere Qualität.“ Dann wäre man sogar bereit auf den eigenen Namen und das „kommunistisch“ zu verzichten, das vor allem bei den Medien noch immer antikommunistische Reflexe und Fragen wie „Und was ist mit China? Nordkorea? Stalin?“ nach sich zieht (exemplarisch: das ZIB 24-Interview mit einer der drei SpitzenkandidatInnen, Flora Petrik). Schließlich gehe es um die Inhalte, „programmatisch muss das schon passen. Und, ja: Ein Bündnis schließen ist immer eine inhaltliche Auseinandersetzung.“ Auch mit den Jungen Grünen sei man sich in manchen Dingen nicht einig, zum Beispiel ob man das bedingungslose Grundeinkommen fordern solle oder nicht. Aber darüber werde dann eben diskutiert.
Die finanzielle Substanz
Die KPÖ ist eine Aktivist_innenpartei auf zwei Ebenen. Einerseits weil fast alle ehrenamtlich politisch tätig sind und es so gut wie keine bezahlten Mitarbeiter_innen gibt, es gibt ziemlich genau zwei Vollzeitstellen österreichweit. Mehr kann man sich schlicht weg nicht leisten – nachdem 2003 der Großteil des Parteivermögens, in kommunistischen Unternehmen erwirtschaftetes Geld bzw. Eigentumswerte der SED, der Bundesrepublik Deutschland zugesprochen wurde, sah man sich gezwungen fast alle Immobilen in Österreich zu verkaufen und das Geld anzulegen. „Damit nach uns auch Politik passieren kann“, so Ambrosch. Die finanziellen Mittel der KPÖ speisen sich heute – neben geringen Mieteinnahmen aus den wenigen Immobilen, die man noch besitzt und privaten Spenden – also aus jenem Geld, das zum Beispiel aus dem Verkauf des symbolträchtigen Globus-Hauses am Höchstädtplatz flüssig gemacht wurde. „Und immer wenn Wahlkampf ist, müssen wir stark auf diese Substanz zurück greifen. Und auf die Dauer wird die Substanz nicht mehr da sein.“ Aber dass es aufgrund des fehlenden Budgets keinen Parteiapparat im klassischen Sinne mehr gäbe, hätte auch positive Effekte gehabt. Es habe eine Art innerparteilichen „Reinigungsprozess“ gegeben, wie Ambrosch formuliert, „eine Rückkehr zu dem, worum es wirklich geht“ – und einen Abbau von Machtstrukturen, die in Parteiapparaten, wo es immer auch um Geld und Macht geht, kaum zu verhindern sind.
Aktivist_innenpartei statt Apparatschiks
Andererseits hat man nicht nur aus der (Finanz-)Not eine Tugend gemacht, sondern Aktivismus sei auch wesentlicher Teil des kommunistischen Politikverständnisses, so Ambrosch. „Wir würden auch wenn wir im Parlament sind nicht die Straße verlassen. Die Verbindung zwischen zivilgesellschaftlichem Engagement, außerparlamentarischen Bewegungen, die muss es immer geben. Wenn das fehlt, dann ist der Druck weg und du verselbständigst dich als Apparat. Das ist unser Politikverständnis der Selbstermächtigung.“ Denn: „Wir haben nichts von einem ‚Ich gebe dir meine Stimme‘, und dann mach ich wieder nix, und beim nächsten Mal kann die Stimme wieder weg sein. Die Menschen müssen verstehen, dass sie für Demokratie auch mehr tun müssen.“ Das habe man auch aus 1989 gelernt: „Ohne eine wirklich lebendige Demokratie, das heißt die Selbstermächtigung der Menschen, auch in der Partei, ist nichts dauerhaft und nachhaltig.“
Klar hat die KPÖ auch ohne bezahlten Apparat Strukturen. Da gibt es die Grundorganisationen, die Bezirks- und Landesorganisationen und den Bundesvorstand, der koordiniert und zusammenbringt. Und nach den Wahlen steht im Dezember der Parteitag an, das höchste Organ der Partei, bei dem alle relevanten programmatischen Entscheidungen getroffen werden und bei dem heuer das Programm für die nächsten drei Jahre beschlossen wird. Theoretisch sind hierzu alle 2000 Parteimitglieder eingeladen, sie sind „beratend teilnahmeberechtigt“, wie es im Statut heißt. Praktisch findet die inhaltliche Diskussion aber im Vorfeld des Parteitags statt. Diskussions- und Forderungspapiere werden erarbeitet und gehen „in die Partei hinein“. Dort werden sie in den Parteigruppen diskutiert und Abänderungsanträge können eingebracht werden. Diese werden in den Vorschlag eingearbeitet, am Parteitag selbst in Arbeitsgruppen nochmal besprochen und schlussendlich wird versucht, einen Beschluss zu fassen. „Ein sehr demokratischer Vorlauf,“ so Ambrosch. De facto würden sich aber aktuell von allen Mitgliedern nur um die 1000 aktiv einbringen.
Schnittmengen & Alleinstellungsmerkmale
Im Wahlkampf fokussiert man auf Soziales – das Wohnen steht im Zentrum der Kampagne und ist auch jenes Thema, mit dem man auf der Straße am besten mit den Leuten ins Gespräch kommt. Man ist hier aber nicht alleine – auch Grüne und SPÖ besetzen das Thema, allerdings wenig glaubwürdig, schließlich hätten sie beide ja zumindest in Wien längst Maßnahmen ergreifen können. Haben sie aber nicht. „Wer kann sich heute noch Wohnen leisten? Wenn man jung ist und nicht alteingesessen in einer Wohnung sitzt mit einer geringen Miete?“ Wohnen ist auch jenes Feld, mit dem die KPÖ ihren größten kommunalen Wahlerfolg einfahren konnte: 2003 erreichte man in Graz unter Ernest Kaltenegger 20 %.
Neben dem Wohnen geht es im Wahlkampf 2017 um Arbeit, Arbeitszeitverkürzung und gerechten Lohn, Gleichberechtigung und die politische und soziale Teilhabe aller Menschen. Und einen Finanzierungsplan hat man auch: Steuern auf Vermögen und Erbschaften, Durchgreifen gegen Steueroasen und Steuerhinterziehung sowie die Wertschöpfungsabgabe. Soweit würde die Sozialdemokratie mitgehen. Bei der Ablehnung der Freihandelsabkommen CETA und TTIP sowie der Re-Verstaatlichung der gesamten Energieversorgung wohl nicht mehr. Und bei einem Thema hat KPÖ PLUS – leider – ein völliges Alleinstellungsmerkmal: Sie treten ein gegen jedes Aufziehen von Grenzen, seien diese physisch oder numerisch. Für das unbedingte Recht auf Asyl und ein Wahlrecht für all jene, die seit mehr als einem Jahr ihren Lebensmittelpunkt in Österreich haben.
Unüberwindbare 4 %
Womit man rechnet, nachdem die Wahlen in Österreich am 15. Oktober geschlagen sind? „Also ich bin realistisch und denke, dass wir den Einzug ins Parlament nicht schaffen.“ Dennoch würde eine Stärkung der KPÖ etwas verändern, so Heidi Ambrosch, vor allem weil das taktische Wählen einer der anderen, neoliberalen Parteien nichts ändern würde und à la longue der FPÖ erst recht in die Hände spielen würde, weil sich an der Politik der SPÖ, der Grünen und der ÖVP ja nichts zum Guten ändern würde, wenn sie (wieder) in die Regierung kämen – ganz im Gegenteil. Dass trotz des Versuches breiter Bündnisse, außerparlamentarischen Aktivismus‘, einer Art „Aufbruchsstimmung“ in der KPÖ und des aktiven Wahlkämpfens keine Aussicht auf ein Erreichen der 4 %-Hürde und damit den Einzug ins Parlament besteht, lässt allerdings an den Perspektiven zweifeln und zeigt den Status Quo der organisierten Linken. Woran diese Schwäche liegt? Laut Ambrosch am in Österreich schon immer besonders starken Antikommunismus und der noch immer verbreiten Parteienbindung. Das stimmt. Aber dazu kommt noch, dass eine breite linke Plattform wohl doch auch anders aussehen müsste als KPÖ PLUS – und sich die Frage stellt, ob das von manchen Teilen der Linken überhaupt gewünscht ist bzw. zielführend wäre. Was allerdings, sofern man immerhin die Überzeugung teilt, dass am Parlamentarismus teilzuhaben schon Sinn macht solange es ihn gibt, die Alternative zu einem breiten linken Bündnis, teilweise womöglich auch über Schmerzgrenzen hinaus, wäre, ist eine noch viel offenere Frage.
Und was erwartet sich Ambrosch vom Wahlergebnis allgemein? „Der Kurz wird das Rennen machen. Und irgendwas mit Blau wird rauskommen.