Sebastian Kurz, stets bemüht um den perfekten Auftritt, gibt sich inhaltlich gerne wortkarg. Deswegen die wichtige Frage: Was führt die Liste Kurz überhaupt ökonomisch im Schilde?
Der überall im Lande plakatierte „Neue Stil“ der türkisen Bewegung erweist sich, sobald Sebastian Kurz endlich mal den Mund aufmacht, als ziemlich altbacken. Überall klingen die alten soundbites der ÖVP durch. Das wirtschaftliche Programm der Liste Kurz ist im Kern die hinlänglich bekannte Luftbuchung, bei der zukünftige Einnahmen einfach mal miteingerechnet werden. Sei es als zukünftig erhöhtes Steuereinkommen, sei es als Ausgabeneinsparungen durch Verschlankung des Staates. Am „Bürokratieabbau“ wird übrigens seit Jahrzehnten gebastelt, Kurz dürfte dies entgangen sein. Das türkise Wirtschaftsprogramm verdient deswegen die Bezeichnung Voodoo-Ökonomie, da es im Grunde unterstellt, eine wirtschaftliche Entwicklung ließe sich beschwören. Der faule Zauber geht so: Steuererleichterungen an Unternehmen sollen finanziert werden durch die zukünftigen Einnahmen, die der Staat durch Wirtschaftswachstum lukrieren wird, das angeblich durch die neuen Investitionen entsteht. Also eben jene Investitionen, die es nur deswegen geben wird, weil den UnternehmerInnen mehr „Geld im Börserl“ bleibt, sollen später an anderer Stelle eingenommen werden. Na Bumm. Zunächst darf bemerkt werden, jene Partei, die vor ihrem türkisen Anstrich gegen jedwede Maßnahmen eintrat, weil diese zu teuer seien, gedenkt Milliarden auszuschütten durch Steuervergünstigungen.
Aus dreierlei Gründen ist das ganze Kurz’sche Konzept unseriös. Erstens, ein Wirtschaftswachstum kann kommen, oder auch aufgrund unvorhersehbarer und unbeeinflussbarer (weltweiter) Entwicklungen nicht. Die zukünftigen Einnahmen können somit leicht ausbleiben. Fairerweise müsste dies den WählerInnen gesagt werden. Kurz spricht aber nur von seinen ambitionierten Zielen, als läge es letztlich an seinem persönlichen Können als Voodoo-Hexenmeister. Zweitens, wäre das Ausbleiben der Einnahmen als Künstlerpech in Ordnung, wenn die Liste Kurz zugeben würde, es sei ein spekulativer Konjunkturimpuls. Das kann Kurz aber nicht, da er ja (so wie alle Konservativen in Österreich die so tun wollen als hätten sie wirtschaftliche Expertise) die Monstranz der Budgetdisziplin vor sich hertragen muss. Alles was mehr Schulden macht ist schlecht, deswegen will Kurz ja auch zugleich die Staatsschuldenquote wieder auf 60 % drücken. Ein offensichtlicher Widerspruch also. Drittens, „trickle down“ funktioniert nicht.
Pferdeäpfel
Die BesitzerInnen des Staates haben sich gemeinsam mit willfährigen PolitikerInnen vor langer Zeit die Geschichte des „trickle down“ ausgedacht. Die geht (es gibt verschiedene Versionen) in etwa so: Wenn der Gaul gut gefüttert wird, dann produziert er prächtige Pferdeäpfel und die Spatzen haben ein Festmahl beim Aufpicken. Das starke Pferd sind die Unternehmen, die „Leistungsträger“, wie sie die ÖVP gerne nennt. Das Futter ist natürlich das Geld, das durch Subventionen und Steuererleichterungen reichlich an Unternehmen gegeben wird. Die Spatzen sind die ArbeiterInnen und Angestellten und ja, das Bild ist präzise, sie sollen von Fäkalien leben. Von dem, was hinten rauskommt. Den ganzen menschenverachtenden Klassenhass, der in der Konzeption des „trickle-down“-Effektes liegt einmal beiseitegelassen, muss unbedingt betont werden: In einer globalisierten Ökonomie haben die „Big Players“ die Möglichkeit, jenes Geld, das ihnen als Gewinn bleibt, außer Landes zu schaffen oder sonst wie dem Zugriff des Gemeinwesens zu entziehen (Stiftungen). Alle Steuererleichterungen an dieser Stelle sind somit potenziell verlorene Mittel. Während die armen SchluckerInnen jenes Geld, dass sie etwa durch Mindestsicherung bekommen (die übrigens gesenkt werden soll), gezwungen sind auszugeben und damit tatsächliches Wachstum generieren. Was Sebastian Kurz singt, ist somit das alte Liedchen vom neoliberalen Umbau des Staates: Die Kleinen sollen knapsen, die Großen dürfen verschieben – jetzt türkis gefärbt.
Zum Drüberstreuen solle es keinesfalls eine Erbschaftssteuer geben, denn Kurz betont gerne mit Träne im Knopfloch, wenn sich jemand etwas im Leben aufgebaut hat und nicht etwa „in Urlaub gefahren ist“, dann solle diese/r nach seinem/ihrem Tode darüber entscheiden, was mit diesem Besitz passiere. Allerdings, die SPÖ fordert Erbschaftsteuer ab einer Million. Außer Kurz und der Wirtschaftsexpertin Oma Brause glaubt niemand ernsthaft, dass sich eine Million durch Urlaubsverzicht erwirtschaften lasse.
Selbst wenn ihm zugebilligt wird, dass die Hypothese des „trickle down“ umstritten ist und es WirtschaftsexpertInnen gibt, die der Konzeption etwas abgewinnen können, dann muss doch zumindest die Chuzpe von Kurz angeprangert werden: Er lässt im ganzen Land affichieren „Es ist Zeit“ und er wolle einen neuen Stil in die Politik einführen und dann kommt er mit den alten Kamellen von Maggie Thatcher und Ronnie Reagan daher. Zudem sind es Sprüchlein, die die elfundneunzig ÖVP-Vorsitzenden der letzten 30 Jahre bereits genauso runtergebetet haben.