MALMOE

Just another tag on the wall?

Im öffentlichen Raum befindet sich haufenweise rechtsradikale Symbolik, die auf den ersten Blick nicht immer auffällt

Die Broschüre Just another tag on the wall? – Rechte Symbole auf Wiens Straßen soll aufzeigen, dass eins fast immer und überall von rassistischen, sexistischen, nationalistischen und antisemitischen Botschaften umgeben ist – häufig, ohne dass das bewusst auffällt. Die Broschüre ist vor allem als Einführung gedacht. Sie soll allgemein verständlich sein und richtet sich insbesondere an Menschen, denen diese Themen (noch) neu sind.

Die Idee für die Broschüre entstand daraus, dass wir es für notwendig erachten, abseits von staatstragenden Publikationen, rechte und rechtsextreme Symbole, die uns tagtäglich im öffentlichen Raum begegnen, zu beschreiben. In der Broschüre beginnen wir damit in unserer unmittelbaren Umgebung, den Straßen und öffentlichen Plätzen der Stadt, wo wir mit diesen Botschaften konfrontiert sind. Wir gehen dabei einerseits konkret auf einzelne Gruppen und deren ekelhafte Ideologien ein. Damit diese Informationen besser eingeordnet werden können, steht im ersten Teil der Broschüre andererseits die Frage danach im Vordergrund, welche Rolle der Rechtsextremismus in der Gesellschaft einnimmt: Von wem sprechen wir, wenn wir von Rechtsextremist_innen sprechen und welche Rolle spielt dabei die Art und Weise, wie unsere Gesellschaft gestaltet ist? Es ist uns wichtig, nicht lediglich ein paar Symbole aufzuzählen und zu beschreiben, sondern diese mit einer linksradikalen Gesellschaftskritik zu verbinden und somit die Zusammenhänge von Staat, Kapital und Nation aufzuzeigen.

It’s the system, stupid!

Ohne eine herrschaftsförmige Mehrheitsgesellschaft können rechtsextreme Gruppen und Bewegungen keine Wirkung entfalten. Das heißt: Faschistoide und autoritäre Denkformen müssen allgemein mit bürgerlich-kapitalistischer Vergesellschaftung und in Österreich insbesondere mit der Geschichte von Faschismus und Nationalsozialismus in Verbindung gebracht werden.

Herrschaftsideologien wie Rassismus, Antisemitismus und Sexismus sind kein „Randphänomen“, keine Irrtümer, Hirngespinste oder vormodernen Überreste. Sie sind auch nicht das Produkt von manipulierenden Kräften, die andere verführen, sondern entspringen einer bestimmten gesellschaftlichen Konstellation. Daher können Herrschaft und entsprechende Ideologien auch unterschiedliche Ausformungen annehmen. Wenn wir die Verbindung zwischen Rechtsextremismus und Kapitalismus betonen, wollen wir aber nicht behaupten, dass alle Aspekte dieser Ideologien hinreichend als Effekte der kapitalistischen Produktionsweise erfassbar sind. Wir wollen dadurch auch nicht Menschen von der Verantwortung für ihr menschenverachtendes Handeln freisprechen. Aber es ist wichtig, zumindest zu versuchen, diese Verbindung zu verstehen und dadurch eine tiefere gesellschaftskritische Perspektive zu entwickeln. Österreich und Deutschland sind zudem Sonderfälle. Beide sind direkte Nachfolgegesellschaften des Nationalsozialismus. Österreich ist zwischen 1933 und 1945 durch zwei verschiedene Faschismen gegangen, den Austrofaschismus und den Nationalsozialismus und ist bis heute von dieser Geschichte geprägt. In der Broschüre wollen wir daher auch aufzeigen, dass die Erscheinungsformen von autoritärem und rechtsextremem Denken letztlich nicht hinreichend verstanden werden können, ohne die Situation Österreichs als doppelt postfaschistisches Land mitzureflektieren.

Zur Veranschaulichung des Themenspektrums der Broschüre, gehen wir im Folgenden auf zwei konkrete Beispiele ein. Einerseits auf die Neonazi-Gruppe Unwiderstehlich und andererseits auf Symbole, die sich auf die faschistischen Ustaše beziehen.

Alles andere als „Unwiderstehlich“

Bei der Neonazi-Gruppe Unwiderstehlich Österreich handelt es sich vermutlich um Einzelpersonen, die schon früher in neonazistischen Netzwerken rund um die ehemalige Internetseite alpendonau.info und Gottfried Küssel unterwegs gewesen sind. Seit 2016 werden auf einer eigenen Homepage sowie einer Facebook-Seite der Gruppe neonazistische Inhalte verbreitet, unter anderem wird der Shoah-Leugner Gerd Honsik zitiert. Beide Seiten werden als „Enthüllungsseiten“ dargestellt, die mit falschen Informationen vor allem gegen „Nicht-Österreicher_innen“ und gegen Feminist_innen hetzen. Außerdem sind viele der Postings offen antisemitisch. Darüber hinaus ist die Gruppe vermutlich verantwortlich für wiederholte Angriffe und Drohungen gegen antifaschistische Räume und Personen. Vor kurzem bekam sie erstmals größere mediale Aufmerksamkeit, als eine Funktionärin der Österreichischen Hochschüler_innenschaft (ÖH) einen Drohbrief, adressiert an ihre Arbeitsstelle, erhielt, der mit dem Namen der Gruppe unterschrieben war. Ihr Logo erinnert stark an ein Keltenkreuz, welches als beliebtes neonazistisches Symbol eine Vormachtstellung der im Nazisprech „weißen Rasse“ darstellen soll. Auf ihren Stickern und Internetseiten ist das Logo der Gruppe meist gepaart mit lasziv abgebildeten halbnackten Frauen*körpern, die auf sexistische Art und Weise wohl die Brücke zum Namen der Gruppe schlagen sollen.

„Für die Heimat bereit“ – Die faschistischen Ustaše

Ein weiteres Symbol, das uns auf Wiens Straßen immer wieder begegnet, ist das Symbol der Ustaše („der Aufständische“, Plural: Ustaše). Ein U mit einem Kreuz innerhalb des offenen Bogens des Buchstabens oder auch mit einer rot-blauen Granate im Hintergrund. Das Symbol der Ustaše kann aufgrund der dahinterliegenden Ideologie ähnlich gewertet werden, wie ein Hakenkreuz, da die Ustaše in den meisten Punkten mit der Ideologie des Nationalsozialismus übereinstimmten. Die Ustaše war ursprünglich ein von Ante Pavelić ins Leben gerufener, terroristischer und nationalistischer Geheimbund, der sich ab 1929 im faschistischen Italien formierte und von dort aus begann, für ein unabhängiges Großkroatien zu kämpfen, das unter anderem auch Bosnien und Herzegovina und Syrmien (heute Teile von Serbien und Kroatien) umfassen sollte. Ab 1941, mit der Gründung des faschistischen unabhängigen Staats Kroatien, übernahm die Ustaše-Bewegung die Herrschaft und errichtete ein menschenverachtendes Regime der Vertreibung und Vernichtung. Ein weiteres Zeichen, das verwendet wird, um sich auf die faschistischen Ustaše zu beziehen, ist das kroatische Staatswappen – allerdings mit einem kleinen Unterschied zum offiziell verwendeten staatlichen Wappen. Der Unterschied liegt in der Farbe, mit der das Schachbrettmuster im linken oberen Eck beginnt: steht am Anfang ein weißes oder silbernes Feld, so entspricht es jenem des faschistischen kroatischen Staates der Ustaše zwischen 1941 und 1945. Dieses Wappen wurde auch in den ersten Monaten nach dem Wahlsieg von Franjo Tuđman zu Beginn der 1990-er Jahre in Kroatien offiziell und später vielfach als revisionistische Verklärung des Ustaše-Staates verwendet. Mit einem roten Feld beginnt das aktuelle kroatische Staatswappen, welches auch zur Zeit des sozialistischen Jugoslawiens Verwendung fand. Somit ist für Beobachter_innen leicht festzustellen, auf welche Episode des kroatischen Staates sich die Symbolik bezieht oder beziehen könnte.