MALMOE

Fragen an den Balkon

Eines der wichtigsten Auftrittsrequisiten von Papst bis Queen, von den einen als Inbegriff des biederen Kleinbürgertums verachtet, von den anderen als einfach zu realisierende Steigerung der Lebensqualität im urbanen Raum geschätzt. MALMOE fragt nach.

Guten Tag, lassen Sie uns gleich mit einer Frage starten, die bisweilen zu hitzigen Debatten führt. Nimmt man landläufige Zuschreibungen ernst, lassen Sie sich politisch nicht festlegen. Sie scheinen alle politischen Couleurs bedienen zu können und von konservativer Biederkeit über grünen Pflanz-Enthusiasmus und sozialistischen Wohnbau alle Stückeln zu spielen. Was jetzt? Links oder rechts? Reaktionär oder progressiv?

Schauen Sie, ich weiß schon, dass Sie ein politisches Magazin sind und dass Sie da gerne eine eindeutige Antwort hätten, aber es ist kompliziert. Selbst über meine Anfänge gibt es keine Einigkeit. So besagt eine These, dass meine heutige Form von der mittelalterlichen Hurde herstammt, also von einem an Burgen und Mauern angebrachten hölzernen Gang zur Verteidigung von Bauwerken und Städten. Andere Theorien sehen meine Ursprünge in der Antike und schon früh in repräsentativen oder in haushaltspraktischen Funktionen. Nehmen wir zum Beispiel Wien: Da haben wir die ältesten Balkone aus dem Hochbarock, die ganz klar zur Repräsentation dienten, ausladend geschmückt waren und vor allem auf den Eingangsportalen von Palais thronten. Typisch für Wohn- und Bürgerhäuser aus derselben Zeit ist dann aber der Pawlatschengang im Innenhof, der ja wieder ganz andere Funktionen hat.

Pawlatschen?

Das tschechische Wort pavlač bezeichnet einen offenen Hauseingang. Der in Wien verbreitete Pawlatschengang, der im Inneren eines Hofes in den verschiedenen Stockwerken zu den Wohneinheiten führt, ermöglicht einerseits einen kostengünstigen, Zugang zu Wohnungen, der aber im Brandfall auch gefährlich sein kann. Andererseits war und ist er wichtiger Kommunikationsort und wird als Kühlschrank, Wäschetrockner, Spielplatz und vieles mehr benutzt.

In Wien haben ja nur etwa 20 Prozent der Wohnungen einen Balkon.

Ja, genau, wobei da die Pawlatschen nicht dazuzählen. Richtig viele und unterschiedliche Balkone wurden dann ab der Ersten Republik im sozialen und gemeinnützigen Wohnbau gebaut. Die Balkone konnten dann repräsentative Funktionen übernehmen, zum Beispiel am 1. Mai, waren aber vor allem dazu gedacht, Wohnraum zu erweitern, und – den neuen Gesundheitsstandards entsprechend – den Zugang zu frischer Luft und Sonne zu gewährleisten.

Zum Schluss noch ein kleiner Wordrap. Blumen: Ja oder nein?

Prinzipiell immer gerne. Geht gar nicht: Geranien oder Kornblumen.

Romeo und Julia?

Ay me! Don’t trust this balcony.

Urlaub auf dem Balkon?

Nur Urlaub? Ich bin da eher Team Arbeitszeitverkürzung.

Dieses Haustier wollte ich immer schon mal?

Ein Pferd. Es könnte auf mir stehen und hinunterschauen und nachdenklich an den Pflanzen kauen. Das wäre schön. Ein Wal wäre auch interessant.

Hofburg-Balkon?

Abreißen!

Wir danken für das Gespräch.