MALMOE

Evolutionen rechter ­Öffentlichkeit

Nicht nur die rechte Medienlandschaft verändert sich. Es lohnt sich, Strategien, Wandlungen und Synergien im Auge zu behalten.

Im April 2017 titelte der Tagesspiegel „Die rechte Blase im Netz wächst“. Anlass dafür war, dass die rechte Website unzensuriert.at nach Deutschland expandierte. Im Untertitel befürchtete die Berliner Zeitung: „Im Bundestagswahlkampf könnte sie AfD-Propaganda machen“. Nicht dass man in Deutschland unzensuriert.at bräuchte, um Wahlkampf für die AfD zu machen: Junge Freiheit, Sezession, Blaue Narzisse und weitere haben sich dieser Aufgabe bereits verschrieben. Nicht immer sind sie sich einig, was die richtige Strategie für eine völkische Transformation der Gesellschaft ist. Götz Kubitschek etwa schrieb einst für die Junge Freiheit – bis er sich mit Dieter Stein, dem Chefredakteur der 1986 gegründeten Zeitung, zerstritt. Stein fand damals, dass Kubitschek sich nicht klar genug von den extrem Rechten abgrenzte, er bat um Mäßigung und darum, am Begriff des „Konservatismus“ festzuhalten. Auch innerhalb der AfD spiegelt sich diese strategische Verwerfung wider, die nicht als inhaltliche Differenz überbewertet werden sollte: Zuerst flog Bernd Lucke und zuletzt wurde Frauke Petry abgekanzelt, weil sie für einen „realpolitischen Kurs“ warb. Der gebürtige Ravensburger Kubitschek ist mit Björn Höcke und André Poggenburg, den Rechtsaußen der AfD, befreundet. Auf einem alten Rittergut im sachsen-anhaltinischen Schnellroda betreibt er den rechten Think Tank Institut für Staatspolitik, den Verlag ­Antaios und gibt die Sezession heraus. Kubitschek, der sich an der intellektuellen Front einer extrem rechten Avantgarde sieht, beansprucht für sich nicht Politik, sondern Meta-Politik zu betreiben: Räume des Denkbaren erweitern, Unsagbares sagbar machen.

Mediennetzwerk der FPÖ

In Österreich etwa ist es kein Geheimnis, dass auflagenstarke Zeitungen wie die Krone sich den Freiheitlichen anbiedern. Diese wiederum haben mittlerweile ein eigenes Mediennetzwerk aufgebaut, das sich einer massiven Nutzung erfreut. Kein österreichischer Politiker hat mehr Likes auf Facebook als Heinz-Christian Strache. Er und andere Freiheitliche verbreiten eifrig Publikationen der FPÖ-nahen Website unzensuriert.at, deren Initiator Martin Graf ist und die seit ihrer Entstehung 2009 auch sonst einen sehr engen Draht zur Partei hat. Die FPÖ-Parteizeitung Neue Freie Zeitung steht im Schatten der Onlinepräsenz, gehört aber ebenso wie die 1997 von Andreas Mölzer gegründete Zur Zeit zum Mediennetzwerk der FPÖ. Das Profil schreibt von einer „digitalen Parallelrealität“, die sich die FPÖ geschaffen hat und die auch die restlichen Akteure der Medienlandschaft nicht unbeeindruckt lässt. Auch das seit 2015 erscheinende, russlandaffine, verschwörungstheoretische und nach den Recherchen des grünen Nationalabgeordneten Karl Öllinger mit Plagiaten gefüllte Hochglanzmagazin Info-DIREKT kann als Teil jenes Netzwerks gesehen werden. Welche Synergien zwischen der extrem rechten publizistischen Szene Deutschlands und Österreichs wirken, zeigte im Oktober 2016 das Europäische Forum Linz, jener „Kongress gegen die Verdrängung der europäischen Völker“, an dem viele Vertreter der oben genannten Publikationen – darunter unzensuriert.at, info-DIREKT, Blaue Narzisse und Sezession – teilnahmen.

So wichtig es ist, jene extrem rechten Umtriebe genau zu beobachten, so sollte das Interesse aber auch einem Trend gelten, der sowohl in Österreich als auch in Deutschland zu beobachten ist: extrem rechte Tendenzen fernab des rechtsextremen Spektrums – also in bürgerlichen, konservativen oder vermeintlich unpolitischen Medien.

Extreme Standpunkte bei ­Servus TV

Servus TV, der Fernsehsender des Red-Bull-Mäzens Dietrich Mateschitz, ist ein Beispiel für den unscheinbaren Rechtsruck. Das lässt sich vielfach festmachen, so zum Beispiel an den geladenen Gästen von Talk im Hangar 7. Zu diesem wurde nicht nur Martin Sellner von den „Identitären“ eingeladen, um über islamistische Radikalisierung zu sprechen, sondern auch der Sezession-Autor Martin Lichtmesz und FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky, um im Februar 2017 über Donald Trump zu diskutieren. Im März darauf nahm gar Stefan Magnet, der für Info-DIREKT schreibt, als sogenannter „Berater von Alternativmedien“ auf dem Talkstuhl von Moderator Michael Fleischhacker Platz. Auf die Kritik über die Einladung Sellners antwortete Fleischhacker, dass er in seiner Sendung auch „extremere Standpunkte“ vertreten sehen und „nicht nur dieses mittige Geschwafel“ hören wolle. Der Intendant von Servus TV, Ferdinand Wegscheider, der dieses Amt seit April 2016 besetzt, bestimmt über Budget und Programm. Er findet, dass sich Servus TV nicht dem „ideologischen Diktat einer linksintellektuellen Meinungselite“ beuge. Mit seinem wöchentlichen Kommentar „Der Wegscheider“ betreibt er dumpfe Hetze gegen Geflüchtete, die politische Elite und die „Mainstream-Medien“ – nur eben adretter als in oben genannten Medien der extremen Rechten. Laut einer Umfrage der auflagenstärksten Programmzeitschrift des Landes, TV Media, ist Servus TV der beliebteste Sender Österreichs. Auch Strache teilte Wegscheiders Kommentare auf seiner Facebook-Seite. Unzensuriert.at freute sich über die „köstliche Satire“ des „wirklich unabhängigen Senders“. Der „Identitäre“ Patrick Lenart schrieb in einem Gastkommentar auf info-direkt.eu von einem „ausgewogenen Verhältnis zwischen den Diskutanten und Meinungen“ und feierte den „berüchtigten Wegscheider“. Ein Interview mit Konzernchef Mateschitz, das im April 2017 in der Kleinen Zeitung erschien und in dem Mateschitz sich über das „unverzeihliche Ausmaß der politischen Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen bei der Nichtbewältigung der Flüchtlingswelle“ empört, zeigt: Der Weg von Servus TV ist kein zufälliger.

Cicero: von liberal-konservativ zu rechts-konservativ

Während sich in Österreich ein Sender, der sich bisher als unpolitisch gab und mit aufwendig produzierten Naturdokumentation hervortat, zum Medium extrem rechter Diskursfiguren entwickelt, lässt sich eine ähnliche Entwicklung auch in Deutschland, wenn auch an einem etwas anderen Medium, beobachten: Cicero, das „Magazin für politische Kultur“, galt lange als ein liberal-konservatives Polit-Magazin. Wie bei Servus TV gab es auch bei Cicero ein Wechsel in der Organisationsstruktur. Anfang 2016 verschenkte der Schweizer Ringier Verlag das Blatt an die beiden Chefredakteure Christoph Schwennicke und Alexander Marguier. Schwennicke ist seit 2012 Chefredakteur von Cicero, davor leitete er das Hauptstadtbüro der ­Süddeutschen Zeitung und schrieb für den Spiegel. Ein „neuer Ton“ – wie taz-Autorin Anne Fromm schreibt – ist bei Cicero insbesondere seit dem „Sommer der Migration“ 2015 eingetreten.

Seither kommt es vor, dass Kultur-Ressortleiter Alexander Kissler auf der Website des Magazins fragt: „Sind wir Zeuge einer demokratisch nicht gedeckten, fundamentalen Veränderung des Staatsvolkes?“ Oder der Philosoph Peter Sloterdijk, wie im Januar 2016, im Interview mit Cicero von der „Überrollung“ Deutschlands mit Geflüchteten, einer deutschen „Politik des Souveränitätsverzichts“ spricht, und beteuert, dass es keine „moralische Pflicht zur Selbstzerstörung“ gebe. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die für rechte Kreise seit ihrem „Wir schaffen das!“ zur Verkörperung des „großen Austauschs“ und Handlangerin der phantasierten „internationalen Asyllobby“ wurde, ist auch Zielscheibe vieler Cicero-Artikel. Das Cover der Ausgabe vom Februar 2016 zeigt sie teetrinkend vor dem brennenden Kölner Dom, darunter: „… nicht mehr mein Land – Deutschland zwischen Kontrollverlust und Staatsversagen“. In einem seiner letzten Kommentare im Juni 2017 beschwert sich Chefredakteur Schwennicke darüber, dass Finanzminister Schäuble „jeden Euro an Überschuss“ horte, um ihn für Flüchtlinge auszugeben und versichert, dass Deutschland „in ganz neuem Glanz“ erstrahlt wäre, „hätte man das Geld für die Sanierung von Schulen, Straßen und öffentliche Einrichtungen ausgegeben statt für die Akuthilfe der Flüchtlinge“. Sogar Spiegel-Kolumnist und Freitag-Verleger Jakob Augstein, der bei Doppelpassdebatten nicht gerade antirassistisch auffällt, findet, dass das, was Schwennicke macht, „völkische Propaganda“ ist. Die letzte Offenbarung: Schwennicke findet es blöd, dass sich einige Zeitungen darüber echauffieren, dass es mit Finis Germania ein Buch von Rolf Peter Sieferle in die Sachbuch-Bestenliste des NDR und der Süddeutschen Zeitung geschafft hat. Sieferle steht in der Tradition von Vertretern der Konservativen Revolution wie Ernst Jünger, in jener Publikation schreibt er von der „Unvereinbarkeit des hiesigen Sozialstaats mit einer uneingeschränkten Zuwanderung“. Bezeichnend, aber nicht überraschend: Herausgegeben wurde Finis Germania von Götz Kubitscheks Antaios Verlag.

Der Markt ist offen für eine Rechtsverschiebung

Die Anfälligkeit des Bürgertums für Radikalisierung ist keine neue Erkenntnis. Dennoch: Der kritische Blick auf die mediale Landschaft, insbesondere auf vorgeblich unpolitische Medien, aber auch auf die Blätter der alten, konservativen, aber „vernünftigen“ Herren, die sich im Gegensatz zum Populismus wähnen, sollte geschärft sein. Gerade in einer marktförmig organisierten publizistischen Ordnung finden politische Verschiebungen nicht unberührt von gesellschaftlichen Stimmungsschwankungen statt. Die Rechtsverschiebung mancherorts ist so auch bedingt vom Einfall, „dem Volk“ nach dem Mund zu schreiben. Andere kalkulieren aber bewusst mit Atmosphärenänderungen und den Möglichkeiten, die diese in der medialen Welt ergeben. Als Dieter Stein Götz Kubitschek um strategische Mäßigung bat, um das Bürgertum nicht zu verprellen, lehnte letzterer ab. Jetzt besuchen alle namhaften Blätter des Landes Kubitschek auf seinem Rittergut in Schnellroda, der Spiegel verklärte ihn gar zum „dunklen Ritter Götz“.