Seit einigen Jahren werden bei Desigual, H&M und auch bei biedereren Marken wie C&A die Innenseiten der T-Shirts und Damenoberteile bedruckt. Diese zunächst absurd erscheinende Gestaltungsmaßnahme ist folgerichtig, weil sie das neue Verhältnis zwischen Substanz und Akzidenz verrät. Die Frage der Funktionalität des Bekleidens in regnerischen und kalten Gegenden einmal beiseitegelassen, wird der Bekleidungsfummel von zwei verschiedenen Kräften geleitet, die vereinfacht als Mode und Tracht bezeichnet werden könnten. Früher war der Witz der Mode die Inszenierung des, insbesondere weiblichen, Körpers und suchte dabei nach gestalterischer Raffinesse, die bei Amtstrachten, Uniformen, Arbeitskleidern unmöglich war, weil diese fest an soziale Codes gebunden waren. Roben, Talare und dergleichen mussten ihre scheinbare Modelosigkeit (historisch gesehen natürlich nicht ganz richtig) signalisieren und auf Amt und Funktion der TrägerInnen verweisen. Mode hingegen durfte herumspielen, „kreativ“ sein und überraschen. Wie alle Formen freien Künstelns verträgt sich dies nur eingeschränkt mit den Notwendigkeiten industrieller Produktion.
Die Bekleidungsindustrie war eine der Speerspitzen der KonsumentInnenverarsche: Zeige deine Individualität durch den Kauf eines millionenfach produzierten Kleidungsstücks. – Na klar. Hierbei wurde den ProduzentInnen bald bewusst, dass das Hauptaugenmerk auf die Konkurrenz der HerstellerInnen untereinander gelegt werden muss. Folglich ging es nicht mehr darum, KundInnen durch Mode zu inszenieren, sondern die KäuferInnen sollten die Modemarken verbreiten. Mit all den bereits hinlänglich beschriebenen Lächerlichkeiten, wie etwa des armen Würstchens, das stolz den Schriftzug „Boss“ auf seiner pulliverhüllten Brust trägt. Natürlich steckt kein „Boss“ da drin und es ist schwer vorstellbar, dass der ehemalige Hersteller der SS-Uniformen Hugo Ferdinand Boss oder seine Nachfolger an der Spitze des Konzerns mit dem Boss-Schriftzug herumlaufen, das überlassen sie den Würsterln.
Das Kleid braucht seinen Bügel. Nachdem sich das Kleid die längste Zeit schon selbst am menschlichen Leib bewarb, zeigt es nun in letztgültiger Deutlichkeit, was Substanz ist und was zufälliges Beiwerk. Indem der schmückende, innere Bedruck nur am Kleiderbügel zu sehen ist, entfaltet das Kleidungsstück seine volle Schönheit einzig ohne TrägerInnen. Es sieht also am besten aus, wenn es gar nicht angezogen wird. Der Mensch ist der Wirkung im Weg. Der Strahlkraft dieser Mode kann nur mehr gerecht werden, wer sich entweder einen gläsernen Brustkorb zulegt oder – wesentlich praktikabler – die Kleider wie Monstranzen am Bügel vor sich herträgt.